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Mysteriöser Fall in Istanbul Immer noch keine Spur von Khashoggi

Die Türkei geht davon aus, dass der Journalist von saudischen Agenten ermordet worden ist. Nun wollen auch die USA Antworten.

Darum geht es: Neun Tage nach dem Verschwinden des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi erhöht die Türkei den Druck auf Saudi-Arabien. Der im Exil lebende Regierungskritiker war zuletzt gesehen worden, als er das saudische Konsulat in einem Istanbuler Geschäftsviertel betrat. Die türkische Polizei ist überzeugt, dass er nicht mehr lebend aus dem Gebäude herausgekommen ist. Überwachungskameras zeigen, wie er das Gebäude betritt. Aber es gibt keine Aufnahmen davon, wie er wieder herauskommt.

Nun wurden die Namen von 15 Saudis in türkischen Medien veröffentlicht. «Sie sollen gemäss den Ermittlern Teil eines Anschlagsteams gewesen sein», sagt Thomas Seibert, Journalist in Istanbul, der den mysteriösen Fall verfolgt.

So soll es passiert sein: In der türkischen Presse geistern verschiedene Versionen davon herum, wie Khashoggi verschwunden sein soll. «Mal ist die Rede von einer Betäubung, die schief gegangen sei. Er habe eine Überdosis Beruhigungsmittel bekommen und sei daran gestorben. Und mal heisst es, er sei getötet und die Leiche mit einer Knochensäge, die diese 15 Leute aus Saudi-Arabien mitgebracht hätten, zerteilt worden», zählt Seibert auf.

Das steckt dahinter: Diese teilweise grausamen Details wurden von der türkischen Polizei offenbar gezielt an die Medien weitergegeben. Ankara möchte den Druck auf Saudi-Arabien erhöhen, damit die Regierung in Riad endlich etwas Substanzielles zu dem Fall sagt. «Bis jetzt sagt Saudi-Arabien ja nur, Jamal Khashoggi sei aus dem Konsulat wieder herausgekommen und erst danach verschwunden», so der Journalist. Weitere Angaben habe die saudische Regierung bisher nicht gemacht. «Die Türkei möchte auch, dass der Westen – insbesondere die USA – härter mit Saudi-Arabien ins Gericht geht, damit diese Vorwürfe nicht allein von der Türkei erhoben werden.»

So reagieren die USA: US-Präsident Trump hat sich am Mittwoch besorgt über den Fall geäussert. «Es ist eine sehr traurige Situation, es ist eine sehr schlimme Situation», sagte er im Weissen Haus. «Wir dürfen nicht zulassen, dass so etwas passiert, nicht mit einem Reporter, nicht mit irgendjemandem.» Trump forderte Aufklärung von Riad: Er wolle Informationen von der saudischen Regierung. «Und wir wollen sehen, was hier vor sich geht.» Eine Gruppe von Senatoren verlangt zudem, dass die USA Sanktionen gegen Saudi-Arabien beschliessen. Der Fall stellt eine Belastungsprobe für die Beziehungen zwischen Washington und Riad dar. Unter Trump hat sich das unter Obama abgekühlte Verhältnis wieder deutlich verbessert.

Demonstranten vor dem saudischen Konsulat in Istanbul
Legende: Vor dem saudi-arabischen Konsulat in Istanbul haben sich Anhänger Khashoggis versammelt. Imago

Die «Washington Post», für die auch Khashoggi schrieb, berichtete gestern, US-Geheimdienstler hätten ein Gespräch von saudischen Vertretern abgefangen, in dem diese über einen Plan gesprochen hätten, den 59-Jährigen nach Saudi-Arabien zu locken und ihn dort festzunehmen. Dies sei ein weiteres Indiz, das nahelege, dass das saudische Regime in das Verschwinden des Journalisten verwickelt sei, so die Zeitung. Das US-Aussenministerium dementierte umgehend, von den Plänen gewusst zu haben.

Die nächsten Schritte: Die türkischen Ermittler sollten eigentlich Zugang zum saudischen Konsulat bekommen. «Das verzögert sich aber seit Tagen», erklärt Seibert. Offiziell sage Saudi-Arabien zwar, die türkischen Ermittler dürften das Konsulat durchsuchen. Bis jetzt sei das aber nicht passiert. Die türkischen Experten gehen davon aus, dass wenn es einen Mord gegeben haben sollte, auch nach einer grösseren Säuberungsaktion immer noch Spuren zu finden sein werden.

Wer ist Jamal Khashoggi?

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Der frühere Regierungsberater Saudi-Arabiens und Blogger Jamal Khashoggi war im September 2017 aus Furcht vor einer Festnahme ins US-Exil gegangen. Er hatte wiederholt die Politik des mächtigen Kronprinzen bin Salman sowie die Militärintervention des Königreichs im Jemen kritisiert.

Bin Salman hat zwar weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen eingeleitet, doch zugleich die Repression gegen Kritiker und Oppositionelle verschärft. Im Mai 2018 wurden mehrere Menschenrechtsaktivisten verhaftet. Auch zahlreiche Journalisten und Blogger sitzen in Haft.

Die Rolle der Türkei: Die Türkei will sich im Verhältnis zum grössten Ölproduzenten der Welt nicht isolieren. «Die Worte von Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigen das auch ganz deutlich», so der Journalist. Er formuliere seit Tagen immer ein wenig härter. «Noch am Wochenende sagte er, er sei optimistisch, dass alles gut ausgehen würde. Jetzt sagte er vor türkischen Journalisten, die Türkei könne zu einem solchen Fall wie der mutmasslichen Ermordung eines Journalisten auf türkischem Boden nicht schweigen.» Die Türkei fühle sich verantwortlich für das Schicksal Khashoggis. «Hier wird an der Schraube gedreht, um die Saudis dazu zu zwingen, Klarheit zu schaffen.»

Die Vorgeschichte: Die Beziehung zwischen der Türkei und Saudi-Arabien war schon vor diesem Zwischenfall nicht sehr gut. «Dieser wird dieses Verhältnis nun weiter belasten», ist Seibert überzeugt. Die Türkei steht im Streit zwischen Katar und Saudi-Arabien fest auf der Seite von Katar und unterstützt auch die Muslimbrüder, die von Saudi-Arabien als Terrororganisation verfolgt werden.

Im Streit zwischen der Türkei und Saudi-Arabien könnte es für die Türkei ein Vorteil sein, wenn Saudi-Arabien unter Druck gerät. «Das macht das Ganze politisch sehr delikat», so Seibert. Man sehe an Erdogans Reaktion, dass er versuche, Vorteile für die Türkei herauszuschlagen. «Aber er wartet auf Trump; darauf, dass der Westen deutliche Töne gegenüber Saudi-Arabien findet.»

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