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Nach Tod von George Floyd «Menschen ohne Mitgefühl haben in der Polizei keinen Platz»

In der US-Stadt Minneapolis gilt seit gestern der Notstand. Der Tod des Afroamerikaners George Floyd, der nach einer brutalen Verhaftung durch Polizisten verstarb, hat so heftige Proteste ausgelöst, dass der Gouverneur die Nationalgarde aktivieren musste.

Immer wieder sorgen Fälle von krasser Polizeigewalt in den USA für Schlagzeilen. Dies habe viel damit zu tun, dass in vielen Polizei-Departementen eine Kultur der ethischen Standards fehle, sagt Sicherheitsberater Cedric Alexander. Polizisten müssten sorgfältiger ausgewählt, enger geführt und besser begleitet werden als heute.

Cedric Alexander

Sicherheitsberater

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Der Afroamerikaner kennt die Situation der schwarzen Bevölkerung ebenso gut wie die der Polizei. Cedric Alexander ist Sicherheitsberater und war einige Jahre Polizeichef der Stadt Rochester im Bundesstaat New York und in einem Vorortsbezirk der Stadt Atlanta. Ausserdem war er Mitglied einer Taskforce, die die Obama-Regierung in Polizeiarbeit beraten hat.

SRF News: Können Sie als früherer Polizeichef beschreiben, in welcher Situation sich die Polizei von Minneapolis im Moment befindet?

Cedric Alexander: Die sind in einer sehr schwierigen Situation. Sie arbeiten derzeit in langen, anstrengenden Schichten. Sie sind gestresst und haben Angst. Denn sie sind verantwortlich dafür, dass nicht noch mehr Menschen und Gebäude zu Schaden kommen. Und ihr Vorgehen wird äusserst kritisch beobachtet. Minneapolis und die ganze Welt schauen zu.

Welche unmittelbaren Konsequenzen sollte der Fall George Floyd in den US-Polizeikorps ihrer Meinung nach haben?

Wir müssen sicherstellen, dass Täter vom Schlag der Polizisten, die den Tod von George Floyd verursacht haben, umgehend aus Polizeikorps entfernt werden.

Die Wut der Menschen ist verständlich.
Autor: Cedric Alexander Sicherheitsberater

Menschen, die kein Mitgefühl zeigen, wenn ein Mann gefesselt am Boden liegt und um Luft ringt, bis er bewusstlos ist, haben in der Polizei keinen Platz. Die Wut der Menschen über dieses Verhalten ist verständlich.

Und was muss sich in der Polizeiarbeit in den USA längerfristig verbessern?

Wir müssen genauer hinschauen, wen wir für die Polizei anwerben: Was sind das für Menschen? Besitzen sie einen moralischen Kompass? Können sie sich in andere Menschen einfühlen? Haben sie ein Gespür dafür, wann Härte angebracht ist? Denn es gibt Situationen, in denen sie hart durchgreifen müssen. Aber niemals dürfen sie wegschauen, wenn jemand Hilfe braucht. Sowas hat bei der Polizei keinen Platz – nirgendwo auf der Welt.

Heisst das: auch die Ausbildung von Polizisten muss sich verbessern?

Die Polizisten-Ausbildung in diesem Land ist heute schon gut, auch wenn es noch Verbesserungspotential gibt. Viel wichtiger ist meiner Meinung nach die Kultur, die in den Polizei-Departementen herrscht.

Es braucht eine Kultur, wo Vorurteile und Misshandlung keinen Platz haben.
Autor: Cedric Alexander Sicherheitsberater

Polizisten müssen enger geführt und begleitet werden als heute. Es braucht eine Kultur, die sich an ethischen Standards orientiert und wo Vorurteile und Misshandlung von Menschen keinen Platz haben.

Und Verstösse gegen diese ethischen Standards müssen wohl auch Konsequenzen haben?

Ja, wer dagegen verstösst, wird entlassen. Aber leider gibt es noch immer viele Polizei-Departemente, in denen diese Kultur der ethischen Standards fehlt. Oder Vorgesetzte schauen einfach weg und greifen bei Fehlverhalten nicht ein. Damit machen sie sich aber zu Komplizen.

Seit Jahren schon kommt es jeweils zum öffentlichen Aufschrei, wenn Fälle von Polizeibrutalität gegen Schwarze bekannt werden. Und doch passiert es immer wieder. Sind Sie zuversichtlich, dass sich diesmal wirklich etwas ändert?

Es ist zu hoffen, dass sich etwas ändert. Aber Hoffen allein genügt nicht. Es braucht alle gesellschaftlichen Kräfte, damit derart schreckliche Vorfälle nicht mehr passieren können. Denn, sie sind nicht einfach ein Problem der Schwarzen – sie sind ein amerikanisches Problem. Jeder in diesem Land muss zur Lösung beitragen.

Das Gespräch führte Matthias Kündig.

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Echo der Zeit vom 30.05.2020 ; 

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