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Nachfolger für Zeid al-Hussein Schweizer will oberster Hüter der Menschenrechte werden

Prinz Zeid al-Hussein tritt als UNO-Hochkommissar für Menschenrechte ab. Nils Melzer wirft jetzt seinen Hut in den Ring.

Abschiedsrede vor dem Menschenrechtsrat, Abschlusspressekonferenz, Bilanzinterviews. Prinz Zeid al-Hussein, UNO-Hochkommissar für Menschenrechte aus Jordanien, ist weg.

Er ging in Würde. Wie gewohnt staubtrocken im Ton, aber hart in der Sache stand er bis zuletzt zu seinen Prinzipien: «Nicht ich, nicht die UNO bringen Schande über ein Land, wenn wir es kritisieren. Vielmehr tun das die jeweiligen Regierungen selber, indem sie Menschenrechte verletzen.» Der jordanische Prinz zögerte auch nicht, Staatsoberhäupter direkt anzugreifen.

Er machte sich damit keine Freunde unter den Mächtigen. Ihm war klar: «Chancen für eine Wiederwahl habe ich so gut wie keine.» Mindestens drei der fünf Vetomächte, Russland, China und die USA hätten ihn nicht unterstützt. Also trat er gar nicht erst an.

Prinz Zeid al-Hussein.
Legende: Konfrontativ und prinzipientreu: Prinz Zeid al-Hussein eckte mit seiner Art bei den Mächtigen an. Reuters

Schwerer Stand für Menschenrechte

Das Problem: Die UNO hat vorläufig keinen Nachfolger für ihn. Einen ernennen muss UNO-Generalsekretär Antonio Guterres; wählen tut ihn dann die UNO-Generalversammlung. Guterres weiss, dass es zurzeit schlecht bestellt ist um die Menschenrechte, weltweit. Er sieht «eine irritierende Feinseligkeit gegenüber den Grundrechten».

Auch Kenneth Roth, Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights spricht von einer Stressphase: «Traditionelle Kämpfer für die Menschenrechte wie die USA haben sich abgemeldet und nun sogar den UNO-Menschenrechtsrat verlassen. Auch die Europäer sehen in Zeiten der Migrationskrise und des Terrorismus die Menschenrechte nicht länger als Priorität. Und mächtige Länder wie Russland und China kämpfen gar offensiv gegen sie.»

Entsprechend schwierig ist es, einen allseits genehmen Nachfolger für Zeid al-Hussein zu finden. Als bisher einziger warf der 48-jährige Schweizer Nils Melzer seinen Hut in den Ring.

Einflussreiches Amt

Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter war lange für das Internationale Rote Kreuz tätig und lehrt heute als Professor für Völkerrecht an der Universität Glasgow: «Ich habe den Eindruck, dass ich aus meiner Perspektive und mit meiner Erfahrung hier Gegensteuer geben kann.» Gegensteuer gegen den Trend der wachsenden Kritik an der UNO-Menschenrechtspolitik.

Aus Melzers Sicht kann ein Hochkommissar für Menschenrechte durchaus etwas bewirken: «Der Hochkommissar hat ein starkes Mandat. Eines, das direkt von der UNO-Generalversammlung ausgeht, die ihn wählt. Das verleiht ihm einen beträchtlichen Einfluss. Und das obschon es natürlich zurzeit aufgrund der politischen Grosswetterlage etwas eingeschränkt ist.»

Nils Melzer.
Legende: Nils Melzer würde als Hochkommissar für Menschenrechte vermehrt auf Diplomatie setzen. Keystone

Würde er gewählt, möchte Melzer weniger konfrontativ und wesentlich diplomatischer auftreten als der abtretende Hochkommissar: «Es kann gefährlich sein, die Konflikte zu personalisieren und Staats- und Regierungschefs persönlich anzugreifen. Auf diese Weise bringt man sie schwerlich zum Umdenken.»

Das Ergebnis einer solch konfrontativen Haltung sei eher, dass der Dialog mit dem Hochkommissar ganz abgebrochen werde, sagt Melzer. Man könne aber nur etwas erreichen, solange der Dialog im Gang sei.

Auf lange Sicht werden wir erkennen, dass ein freies, liberales Wirtschaftssystem ohne Menschenrechte gar nicht denkbar ist.
Autor: Nils Melzer

Dass die Menschenrechte momentan derart unter Druck sind, hängt für Nils Melzer damit zusammen, dass die Weltgemeinschaft ausserstande ist, die grossen Probleme gemeinsam zu lösen: Klimawandel, Migration, Wirtschaftskrisen.

Das schüre überall nationalistische Tendenzen und bringe Populisten an die Macht: «Was wir zurzeit erleben ist eine Art Regression, ist eine Serie von Rückschritten. Das ist schmerzhaft. Wie lange diese Phase andauert und wie tiefgreifend die Veränderungen sind, die sie bewirkt, wissen wir noch nicht.»

Hingegen ist er überzeugt: «Auf lange Sicht werden wir erkennen, dass ein freies, liberales Wirtschaftssystem ohne Menschenrechte gar nicht denkbar ist. Das werden wohl über kurz oder lang auch die Regierenden einsehen.»

Frauen in der Favoritenrolle

Seine Wahlchancen schätzt Melzer realistisch ein: «Ich mache mir keine Illusionen. UNO-Generalsekretär Guterres hat klar gesagt, dass er die Kandidatur einer Frau bevorzugen würde und zudem gerne jemanden aus einem Entwicklungs- oder Schwellenland hätte. Das sind sehr legitime Anliegen.»

Antonio Guterres.
Legende: Die Qual der Wahl: UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hätte gerne eine Frau als oberste Hüterin der Menschenrechte. Keystone

Genannt werden etwa die Namen der chilenischen Ex-Präsidentin Michelle Bachelet oder der früheren Unesco-Chefin Irina Bokova aus Bulgarien, die eigentlich UNO-Generalsekretärin werden wollte, es aber nicht schaffte. Die Tatsache, dass er Schweizer ist, beurteilt Melzer eher als Vorteil, auch wenn er auf eigene Initiative antritt und nicht als offizieller Kandidat der Schweiz. Noch scheint das Rennen völlig offen. Guterres tut sich offenkundig schwer.

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