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Neue US-Politik Bidens Einwanderungsreform – ein kühner Vorschlag

Nicht weniger als fünf der 17 Erlasse zum Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden betreffen die Migration. So wird unter anderem der Bau der Mauer zu Mexiko gestoppt, und die Einreisebeschränkungen für Muslime werden aufgehoben. Unangekündigt kam eine grosse Einwanderungsreform dazu. Ein Steilpass für die Konservativen und ein Beleg, dass Biden harte politische Bandagen nicht scheut, sagt USA-Korrespondentin Isabelle Jacobi.

Isabelle Jacobi

USA-Korrespondentin, SRF

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Nach dem Studium in den USA und in Bern arbeitete Jacobi von 1999 bis 2005 bei Radio SRF. Danach war sie in New York als freie Journalistin tätig. 2008 kehrte sie zu SRF zurück, als Produzentin beim Echo der Zeit, und wurde 2012 Redaktionsleiterin. Seit Sommer 2017 ist Jacobi USA-Korrespondentin in Washington.

SRF News: War so viel Elan von Biden gleich zum Start zu erwarten?

Isabelle Jacobi: Es war klar, dass er loslegen will, aber das Tempo war dann doch ein wenig atemberaubend. So wie die gesamte Möblierung im Weissen Haus innerhalb von fünf Stunden ausgewechselt wurde, funktionierte auch die Stabsübergabe. Am Mittwoch um 10:30 Uhr kam das letzte Communiqué von Präsident Trump, um 14.30 Uhr das erste von Joe Biden. Dann befahl er, den Departementen, sofort alle laufenden regulatorischen Geschäfte einzufrieren. Darauf hagelte es Verordnungen aus dem Oval Office, darunter ein Covid-Plan.

Warum setzt Biden ausgerechnet bei der Einwanderungspolitik einen ersten Schwerpunkt.

Das fragen sich viele in Washington. Dabei sind es weniger die Erlasse, die überraschen, sondern die umfassende Einwanderungsreform zuhanden des Kongresses. Sie kommt unangekündigt und ist ein kühner Vorschlag. So will Biden elf Millionen Papierlosen innerhalb von acht Jahren den Weg zum Bürgerrecht öffnen.

Welche Taktik könnte dahinterstecken?

Es ist klar ein konfrontatives Vorgehen und die Aufforderung, dass der Kongress sich um das wichtige, aber heikle Thema kümmert. Ein letzter Versuch scheiterte 2013, und die Trump-Regierung hat in den letzten vier Jahren eigenhändig vor allem das Asylwesen in einer restriktiven Art und Weise massiv umgebaut. Das zu entflechten, will nun die Biden-Regierung offenbar dem Kongress überlassen.

Biden will die Nation einen. Eignet sich dafür ein Thema, das die US-Bevölkerung spaltet wie kaum ein anderes?

Die Einwanderung ist immer ein Aufreger. Ein Deportationsstopp von einem Jahr, wie ihn Biden verordnet, bringt Konservative in Rage. Es ist ein Steilpass. Die konservativen Talkshows und Medien laufen heiss und sehen eine weitere Einwanderungskrise vorprogrammiert. Präsident Biden nimmt das offenbar in Kauf. Wichtiger ist ihm da, Stellung zu beziehen und politisch mit harten Bandagen zu kämpfen.

Biden müsste die Reform mit dünnen Mehrheiten in beiden Kammern durchs Parlament bringen. Ist das nicht riskant für ihn?

In der jetzigen Form wird es die Vorlage sicher nicht durch den Kongress schaffen. Es sei denn, die Demokraten kippten die geltende Mehrheitsregel im Senat, wo es im Moment 60 Stimmen braucht, damit ein Gesetz passiert. Mit einer einfachen Mehrheit könnten sie dann durchregieren – dank dem aktuellen 50:50-Patt und der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris als Zünglein an der Waage. Das ist neu und deshalb tut sich da viel hinter den Kulissen.

Heute wurde bekannt, dass das Impeachment gegen Donald Trump am Montag an den Senat weitergereicht wird? Wie geht es da weiter?

Sicher wird es den Kongress in den nächsten Wochen weiter beschäftigen. Auch dort sieht man ein forsches Vorgehen der Demokraten. Sie wollen das Thema Trump offenbar schnell hinter sich bringen, solange die Erinnerung an den Sturm aufs Kapitol noch lebendig ist. Unklar ist, ob es im Senat genügend republikanische Stimmen gibt, die Trump verurteilen werden. Im Moment wäre das eher überraschend.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 22.01.2021, 18:00 Uhr ; 

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