Es sind katholisch geprägte Länder, und doch ist es in Spanien und Portugal mit grosser Wahrscheinlichkeit schon bald möglich, die aktive Sterbehilfe zu beanspruchen – gegen den Willen der Kirche.
Klare Mehrheit in Spanien dafür
Die Debatten wurden seit Jahren geführt, in beiden Ländern liegt es an den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen in den Parlamenten, dass entsprechende Gesetzesvorlagen angenommen wurden. Die linken Parteien haben sich durchgesetzt und beeilen sich zu betonen, dass sie tun, was die Gesellschaft Umfragen zufolge längst verlangt. In Spanien befürwortet eine klare Mehrheit von 85 Prozent die Sterbehilfe, in Portugal ist es weniger klar: Doch auch hier sagen 50 Prozent Ja zur Sterbehilfe.
Betroffene sorgen für Umdenken
In beiden Ländern haben auch sterbewillige Personen für ein Umdenken gesorgt: Männer und Frauen, die ihr Leid und ihren Sterbenswunsch an die Öffentlichkeit trugen. In Spanien etwa schon Ende der 1990er-Jahre der Tetraplegiker Ramón Sampedro, dessen Leben später verfilmt wurde.
Andere folgten, in Portugal zuletzt der Tetraplegiker Luís Marques, der als 8-Jähriger ungeimpft an Polio erkrankte, dem Ausgangspunkt der Lähmungen. Die Komplikationen wurden im Lauf des Lebens immer grösser, die Abhängigkeit von anderen ebenfalls. Marques, der nicht mehr selber essen konnte, nur noch 10 Prozent Atemkapazität aufwies und rund um die Uhr an ein Atemgerät gebunden war, entschied sich für den Tod. Mit Freunden und Verwandten fuhr er im Sommer 2000 Kilometer weit in die Schweiz, wo er im Gegensatz zu Portugal Sterbehilfe legal in Anspruch nehmen durfte.
Sterbehilfe nur unter Bedingungen
In der Schweiz, die die passive und indirekte Sterbehilfe erlaubt, dürfen Ärzte selber keine Medikamente verabreichen, die zum Tod des Patienten führen. In Spanien und Portugal soll das mit aktiver Sterbehilfe künftig erlaubt sein. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen: Die sterbewillige Person muss volljährig und im vollen Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten sein und sie muss an einer unheilbaren Krankheit oder besonders schwerer Behinderung leiden, die nicht gemildert werden kann.
Sowohl in Portugal wie in Spanien muss die sterbewillige Person in einem mehrstufigen Verfahren, an dem Ärzte, Psychiater, Juristen und Kommissionen beteiligt sind, mehrfach ihren Willen äussern, ihr Leben beenden zu wollen.
Gesetz muss letzte Hürden nehmen
Noch ist nicht alles unter Dach und Fach: In Spanien wird der Senat im Januar mit grösster Wahrscheinlichkeit der grossen Kammer folgen. In Portugal sagte das Parlament schon letzten Februar im Grundsatz Ja zur aktiven Sterbehilfe, nach bereits erfolgter Detailberatung dürfte es im Januar definitiv Ja sagen. Ob das Sterbehilfegesetz in Portugal in Kraft tritt oder ob es abgeändert werden muss, entscheidet sich womöglich am Verfassungsgericht. Portugals Präsident, ein überzeugter Katholik, könnte es hier überprüfen lassen. Die Chancen, dass es in Kraft tritt, gelten dennoch als intakt.
Sollte es so weit sein, wären Portugal und Spanien das fünfte und sechste Land weltweit mit aktiver Sterbehilfe – nebst den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Kanada. Dass die katholisch geprägten Länder Portugal und Spanien möglicherweise schon bald neue Wege gehen, kommt für die einen überstürzt. Für die anderen – tendenziell die Mehrheit – ist es ein überfälliger Schritt.