Eine Rakete mit «beträchtlicher Reichweite»: Solch ein Geschoss soll Nordkorea nun an seiner Ostküste stationiert haben. Dies berichtete der südkoreanische Verteidigungsminister Kim Kwan-jin. Es gebe aber keine Anzeichen dafür, dass Pjöngjang sich auf einen ernsthaften Konflikt vorbereite.
Berichte japanischer Medien, wonach es sich bei der Rakete um das Modell KN-08 handle, wies Kim ab. Laut den Berichten ist eine KN-08 eine Langstreckenrakete, welche – falls funktionstüchtig – die USA erreichen könnte.
Der südkoreanische Verteidigungsminister könne sich die «Raketen-Bewegungen» seines Nachbarn nicht erklären. Es könnte sich auch um einen Test oder Bohrungen handeln, sagte Kim.
Experten: Keine Langstreckenraketen
Nordkorea verfügt nach Ansicht von Experten nicht über die technischen Mittel, das US-Festland mit Langstreckenraketen anzugreifen. Langstreckenraketen, welche die Regierung in Pjöngjang im letzten Jahr an einer Parade vorgestellt hatte, seien Atrappen gewesen, sagen einige Fachkundige.
Dennoch: Ein Angriff mit Mittelstreckenraketen etwa auf die US-Truppen in Südkorea oder Militärstützpunkte in Japan läge durchaus im Bereich des Möglichen. Ferner kann das Land laut den Experten mit seinen Raketen Ziele in ganz Südkorea erreichen.
Kritik aus Russland
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hat Nordkorea zu einem Kurswechsel aufgerufen. «Atomwaffen sind kein Spielzeug», betonte der Südkoreaner. Es bestehe die Gefahr, dass der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel ausser Kontrolle gerate. «Ich bin besorgt, denn jeder Kalkulationsfehler und jede Fehleinschätzung können in der jetzigen Lage auf der koreanischen Halbinsel eine Krise auslösen, die äusserst schwerwiegende Folgen hätte.»
Russland kritisierte derweil Nordkoreas Festhalten am umstrittenen Atomprogramm als inakzeptabel. Dies sei ein Verstoss gegen UNO-Auflagen. Mit ihrem Verhalten sorge die Führung in Pjöngjang dafür, dass eine Wiederaufnahme der festgefahrenen Sechs-Parteien-Gespräche «radikal verkompliziert, wenn nicht gar faktisch ausgeschlossen» werde, erklärte ein Sprecher des russischen Aussenministeriums.
Warnung an die USA
Am Freitag hatte Nordkorea den USA offiziell mit einem möglichen Atomschlag gedroht. Die Regierung in Washington werde formal darüber informiert, dass dies eine Reaktion auf Drohungen aus den USA sei, hiess es in einer Erklärung. «Der gnadenlose Einsatz unserer revolutionären Streitkräfte ist endgültig untersucht und genehmigt worden».
«Wir nehmen die Drohungen ernst», erklärte der neue US-Verteidigungsminister Chuck Hagel bei seinem ersten öffentlichen Auftritt. Er kündigte die Entsendung eines Raketenabwehrsystems zum US-Stützpunkt auf der Insel Guam an. Hagel sagte, er setze weiterhin auf die Vernunft und auf die Verantwortung der nordkoreanischen Führung. Davon sei aber nichts zu spüren, solange Nordkorea mit nuklearen Angriffen drohe und sehr provokative Schritte unternehme.
Die Lage auf der koreanischen Halbinsel ist seit einigen Wochen stark angespannt. Die Regierung in Pjöngjang hatte in den vergangenen Tagen bereits mehrfach mit einem Atomangriff auf die USA gedroht.
Verbindung zum Süden gekappt
Nach der Entsendung zweier US-Kriegsschiffe in den West-Pazifik hat das Regime in Pjöngjang Pendlern aus Südkorea den Zugang zur gemeinsamen Sonderwirtschaftszone Kaesong untersagt – und damit die letzte Verbindung zum Süden gekappt.
Ein Sprecher sagte am Donnerstagmorgen, die Firmen seien aufgefordert, sich bis zum 10. April komplett aus Nordkorea zurückziehen. Die südkoreanische Regierung wies den Bericht allerdings umgehend als falsch zurück.
Augenzeuge: Keine Unruhe an der Grenze
Der Journalist Malte Kollenberg befindet sich an der Nordkoreanischen Grenze, ganz in der Nähe dieser Sonderwirtschaftszone. Im Gespräch mit SRF schilderte er die Situation an der Grenze. Dort warteten am Morgen mehrere Lastwagen vergeblich auf die Zufahrt nach Norden. Die Fahrer würden die Situation aber gelassen nehmen, sagte Kollenberg.
Dass die Grenze geschlossen werde, komme immer wieder vor. «Das kennen wir alles schon, wir nehmen es mit Humor», zitierte der Journalist einen der Fahrer. Zurzeit befinden sich noch einige Hundert Südkoreaner in der Industriezone. Die meisten würden wohl versuchen, so schnell als möglich aus der Zone herauszukommen, sagt Kollenberg.
Für Südkoreas gesamte Wirtschaft sei das Zutrittsverbot zur Industriezone nicht relevant. Die einzelnen Firmen, die dort produzierten, litten aber sehr wohl unter den Einschränkungen, so die Einschätzung des Journalisten. Mehrere Firmen hätten bereits die Produktion eingestellt, weil ihnen das Gas ausgegangen sei.