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Ölkatastrophe vor Mauritius Meeresbiologe: «Umweltkatastrophen in Afrika sind weit weg»

Vor der Küste von Mauritius ist vor rund einer Woche ein Frachter auf Grund gelaufen. Der ausgelaufene Treibstoff bedroht nun das sensible Ökosystem. Meeresbiologe Nikolaus Gelpke kennt die Gegend und erklärt, weshalb das Unglück gerade für die dortige Natur so gefährlich ist.

Nikolaus Gelpke

Chefredaktor «Mare»

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Nikolaus Gelpke ist Herausgeber und Chefredaktor der deutschen Zeitschrift «Mare». Der Meeresbiologe präsidiert unter anderem das International Ocean Institute.

SRF News: Wie gefährlich ist das Schweröl an der Küste von Mauritius?

Nikolaus Gelpke: Schweröl ist toxisch, es ist giftig und legt sich über alles. Das, was darunter ist, bekommt keinen Sauerstoff mehr. Gerade in diesem Ökosystem von Mauritius ist es besonders schädlich.

Die Gegend ist quasi der Kindergarten der Meere, dort herrscht eine unglaubliche Artenvielfalt.

Denn das sind grosse Naturreservate, und es ist ein sehr sensibles Ökosystem. Die Korallenriffe sind viel sensibler in ihrer ökologischen Struktur als bei anderen Stränden. Insofern ist es vor Ort sehr schlimm.

Welche Tiere oder Pflanzen sind bedroht?

Dort liegt eine der artenreichsten Gegenden der Weltmeere. Diese Küsten sind sehr stark von Korallenriffen besiedelt. Es ist quasi der Kindergarten der Meere, wo eine unglaubliche Artenvielfalt herrscht. Wenn man die tötet, nimmt man einen Grossteil der Artenvielfalt aus dem Meer weg. Es ist ein sehr sensibles und sehr wertvolles Ökosystem, das kaputtgeht.

Wenn beispielsweise an der bretonischen Küste Seevögel verenden, ist das zwar schlimm und grauenvoll, aber es schadet dem Ökosystem weniger, als wenn dies in den Tropen passiert.

Was kann man dagegen tun?

Vor Ort wurde schon sehr viel getan. Es wurden immerhin schon Dreiviertel des Öls abgepumpt. Der Rest muss mechanisch abgetragen werden. Komplett ist dies jedoch nicht möglich. Der Grossteil des Öls wird von Bakterien abgetragen. Das dauert vielleicht ein, zwei Jahre. Da kann man nicht viel dagegen tun.

Es dauert gar nicht lange?

Ja. Es ist schlimm für die Natur und für die Anwohner, aber im Vergleich zu anderen Fällen ist der Schaden relativ klein. Man möchte es nicht verniedlichen, aber 1000 Tonnen sind eine andere Menge als beispielsweise beim Ölunfall der Amoco Cadiz Ende der 1970er-Jahre vor der Küste der Bretagne. Dort waren es 220’000 Tonnen. Hier in Mauritius ist der Treibstoff ausgelaufen, nicht der Inhalt des Tankers.

Ölunfälle in warmen Gewässern sind immer sehr viel harmloser als in kalten Gewässern.

Das ist ein grosser Unterschied. Man muss wissen, dass Ölunfälle in warmen Gewässern immer sehr viel harmloser sind als in kalten Gewässern. Die Folgen der Exxon Valdez 1989 waren ganz schlimm. Das war der grosse Tankerunfall in der Arktis. Wenn es kalt ist, können die Bakterien das Öl nicht so gut abbauen wie in warmen Gewässern. Das ist der Grund, warum in warmen Gewässern Ölunfälle relativ auf lange Sicht nicht so grosse Schäden verursachen, wie wenn das in der Arktis passiert.

Warum hat so lange niemand reagiert? Warum ist niemand Mauritius zu Hilfe geeilt?

Das ist die zweite Katastrophe. Ich bin seit 30 Jahren in der politischen ökologischen Arbeit für die Meere tätig und stelle immer wieder fest, dass – sobald sich Umweltkatastrophen in Afrika ereignen – die internationale Hilfe sehr langsam bis gar nicht vorhanden ist. Das ist sehr weit weg und interessiert die Weltgemeinschaft weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich. Das ist extrem unfair, weil viele doch gerne dort Ferien verbringen.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

Rendez-vous vom 17.08.2020 ; 

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