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Parteitag der Tories Theresa May bettelt um Eintracht

Zurückgewiesen von der EU und bedroht von der Opposition tanzt May vor ihren Parteitagsdelegierten. Eine Analyse.

«Wenn wir uns einig sind, können wir alles erreichen», rief Theresa May ihren Delegierten am Parteitag in Birmingham zu – und erhielt Applaus. Im Gegensatz zum Vorjahr versagte ihre Stimme nicht, obwohl sie erneut mit einer Erkältung kämpfte. Manche nannten es ihre beste Rede, doch an den Tatsachen änderte sich nichts: Es gibt keine Mehrheit im Unterhaus für ihren Brexit-Plan, ganz abgesehen davon, dass dieser bereits von der EU verworfen wurde. Trotzdem hält sie hartnäckig daran fest.

Rosige Perspektiven

May beschwor eine rosige Zukunft für das Vereinigte Königreich, obwohl in gut zwei Wochen ein entscheidender EU-Gipfel bevorsteht. Die EU, sagte sie, biete lediglich einen Schein-Austritt an (Binnenmarkt und Zollunion), was das Plebiszit vom Juni 2016 für den Brexit verraten würde. Oder aber einen Handelsvertrag nach kanadischem Vorbild, der Nordirland als wirtschaftliches Protektorat aus dem Königreich herauslösen würde. Beides sei unannehmbar.

Abba

Überraschend erklangen die Takte von Abbas «Dancing Queen», als Mays Auftritt begann. Die Premierministerin machte sich über sich selbst lustig, als sie hüftenschwingend auf dem Podium auftauchte – sie hatte sich unlängst in Afrika tanzend dem Spott preisgegeben. Das war kühn und stand für die Zähigkeit der Politikerin. Doch ihr Appell an ihre Widersacher in der eigenen Partei wird ungehört verschallen. Bis zu 80 Tory-Abgeordnete werden einen «weichen» Brexit sabotieren, rund 40 wollen einen «harten» torpedieren. Das ist eine schier ausweglose Situation.

Surreal

May beteuerte, sie fürchte sich nicht vor dem Absturz, dem drohenden vertragslosen Zustand. Am Ende werde alles gut. Doch das klingt nach Pfeifen im Walde. Ein Scheitern der Verhandlungen wäre für alle Beteiligten katastrophal, aber für die Briten existenzbedrohend. Deshalb klang es etwas surreal, als sie die Konservative Partei als pragmatisch und unideologisch schilderte. Ebenso, als sie optimistische Zukunftspläne skizzierte, wie wenn es den Brexit gar nicht gäbe.

Tatsache ist, dass die Konservativen unrettbar im Würgegriff des Brexits sind, so dass sie keine Energie für andere Ideen haben. Derweil spielt die Labour-Partei ein Katz-und-Maus-Spiel und entwirft einen radikalen Umbau der britischen Gesellschaft. Das mag nicht mehrheitsfähig sein, aber immerhin belegt es Kreativität. Das kann man von den Tories nicht behaupten.

Martin Alioth

Ehemaliger Grossbritannien- und Irland-Korrespondent, SRF

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Der ehemalige Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

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