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Piraterie in Westafrika Piraten kapern mehr Schiffe und nehmen Seeleute als Geiseln

Das Piraterie-Problem hat sich vom Osten in den Westen Afrikas verlegt. Den Küstenstaaten fehlt eine starke Küstenwache.

Schon ein kurzer Blick auf die ständig aufdatierten Karten des Internationalen Marinebüros (IMB) in London zeigen, wo das Problem liegt: Der Golf von Guinea, die westafrikanische Küste zwischen Kamerun und der Elfenbeinküste, ist derzeit das piratenverseuchteste Gebiet der Welt. 72 Schiffe wurden 2018 dort gekapert, eine Verdreifachung binnen weniger Jahre.

Karte von der westafrikanischen Küste
Legende: Auch 2019 wurden wieder viele Seeüberfälle im Golf von Guinea, vor allem beim Nigerdelta, dokumentiert. Orange: Geenterte Schiffe, Rot: Gekidnappte Schiffe, Blau: Beschossene Schiffe Screenshot IMB

Neunzig Prozent aller Seeüberfälle fanden voriges Jahr dort statt. Bereits dreissig Kaperungen gab es in den ersten Monaten des laufenden Jahres. Dazu kommt eine beträchtliche Dunkelziffer. Neu sei das Problem vor Westafrika nicht, sagt Pottengal Mukundan, der Direktor von IMB.

Doch die Lage habe sich zugespitzt: Mehr Kaperungen, neuerdings oft auch auf hoher See, und mehr Geiselnahmen von Seeleuten. «Das Erpressen von Lösegeldern ist die lukrativste Form der Seeräuberei», so Mukundan. Festgehalten werden die Geiseln oft im Nigerdelta, wo sich viele kriminelle Akteure und politische Banden tummeln und das von Nigeria bis heute nicht wirklich kontrolliert wird.

Piraterie blüht dort, wo sie kaum bekämpft wird

Früher ging es den westafrikanischen Piraten vor allem um die Schiffe selber und deren Ladung, hauptsächlich Öl. Das Verhökern von erbeuteten Schiffen und deren Fracht ist jedoch mit logistischen Umtrieben verbunden. Lösegelderpressungen sind einfacher und einträglicher. Piraten sind Opportunisten.

Sie sind es auch in anderer Hinsicht: Die Piraterie blüht nämlich stets dort, wo sie kaum bekämpft wird. Früher lag der Brennpunkt an der Strasse von Malakka zwischen Malaysia und Indonesien. Bis die südostasiatischen Staaten ihre Küstenwachen aufrüsteten und sich untereinander koordinierten.

Männer an Bord
Legende: Seeleute an Deck eines französischen Flaggschiffs der «EU Navfor» im Golf von Aden vor Somalia. Verschiedene Staaten bekämpfen die Piraterie in der Region seit mehreren Jahren mit Erfolg. Keystone/Archiv

Anfang dieses Jahrhunderts boten sich am Horn von Afrika ideale Voraussetzungen für Seeräuber. Das Bürgerkriegsland Somalia war gar nicht und der gegenüberliegende Jemen kaum imstande, ihrem Treiben Einhalt zu gebieten. Doch dann sandten mehr als ein Dutzend – vor allem europäische – Staaten Kriegsschiffe in die Region und bekämpften die Piraterie dort erfolgreich. Sie tun das bis heute.

Momentan bieten sich in Westafrika ideale Voraussetzungen: Ein Heer von Arbeitslosen, die gerne ins Pirateriegeschäft steigen. Wenig Gegenwehr, da die meisten Küstenländer bestenfalls über Patrouillenboote, aber nicht über eine schlagkräftige Küstenwache oder gar Marine verfügen. Und wenig Risiko für die Täter, jemals strafrechtlich verfolgt zu werden. Kurz: «Das Recht wird nicht durchgesetzt – die Piraten haben freien Raum», sagt Mukundan.

Bessere Kooperation der Küstenländer gefordert

Hinzu kommt: Die Schifffahrtsrouten in Westafrika sind schwieriger zu überwachen als jene im Golf von Aden oder in der Strasse von Malakka, da die Frachter nicht auf derselben Hauptroute verkehren, sondern sich kreuz und quer im Golf von Guinea bewegen.

Dringlich wäre auch, dass die Küstenländer besser kooperierten. Zwar bezweckt das Abkommen von Yaoundé von 2013 genau das. Doch viel Wirkung hat es bisher nicht entfaltet. Und eine milliardenteure Grossoperation von Fregatten aus Ländern von Europa bis China ist vor Westafrika nicht zu erwarten. Geostrategisch ist die Region schlicht zu wenig wichtig. Und es sind nicht die grossen Welthandelsrouten, die hier durchführen. Eine Lösung ist also nicht in Sicht.

Live-Karte der IMB

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