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Polizeigewalt in den USA Maryland zeigt, wie eine Polizeigesetz-Reform aussehen könnte

  • Der Mord an George Floyd hat in den USA etwas in Bewegung gebracht.
  • Mehr als 30 Bundesstaaten haben laut der «New York Times» über 140 Gesetze verabschiedet, um exzessive Gewalt zu verhindern und die Polizei stärker zu beaufsichtigen.
  • Ein solcher Bundesstaat ist Maryland. Dort hat das Parlament besonders eingreifende Massnahmen beschlossen.

Die Polizeireform von Maryland ist ein grosser Erfolg für Aktivisten und Aktivistinnen, die sich seit Jahren dafür einsetzen, die Polizei stärker zu kontrollieren. Eine führende Kraft war die demokratische Senats-Abgeordnete im Parlament von Maryland, Jill Carter. Der öffentliche Aufschrei nach dem Tod von George Floyd in Minneapolis habe in ihrem Bundesstaat ein Umdenken bewirkt – bei der Bevölkerung und der demokratischen Partei.

Noch vor Floyds Tod hatte Maryland einen eigenen Fall von Polizeigewalt und darauffolgenden Protesten. Freddie Gray starb 2015 an einer Rückenmark-Verletzung nach einer brutalen Verhaftung wegen einer Bagatelle. Er blieb auf polizeiliche Aufforderung nicht stehen und trug in seiner Hosentasche ein aufklappbares Messer. Für Carter nur ein Beispiel für gängige Polizeibrutalität in Maryland.

Verurteilung nur in zwei Prozent der Fälle

Der Bundesstaat habe einen schrecklichen Leistungsausweis, sagt die Demokratin. In den letzten zwanzig Jahren seien 500 Menschen bei Polizeieinsätzen gestorben, und Untersuchungen hätten nur in zwei Prozent der Fälle zu einer Verurteilung geführt.

Ein Grund für die weitgehende Unantastbarkeit der Polizeikräfte war die sogenannte Officer's Bill of Rights, die Maryland als erster Bundesstaat Anfang der 70er-Jahre eingeführt hatte. Sie räumte Polizisten und Polizistinnen unter anderem besondere Rechte bei Verfahren gegen sie ein. Ermittlungen wurden intern geführt, und die Beamten hatten besondere Rekursmöglichkeiten.

Drohnenaufnahme zeigt Bild
Legende: Drohnenaufnahme eines Denkmals auf einem Basketballplatz in Maryland. Das Gemälde zeigt die 26-jährige Afroamerikanerin Breonna Taylor, die am 13. März 2020 mit mindestens acht Schüssen getötet wurde. Die Polizei in Vollstreckung drang gewaltsam in ihre Wohnung ein, um eine Razzia gegen Drogen durchzuführen. Es wurden keine Drogen gefunden. Keystone

Kastensystem im Rechtsstaat

Das habe eine Art Kastensystem im Rechtsstaat eingeführt, mit Sonderprivilegien für Polizeikräfte, sagt Senatorin Jill Carter. Deren eben erst beschlossene Abschaffung werde die öffentliche Sicherheit verbessern und die Integrität der Polizeikräfte erhöhen.

Das sieht die grösste Polizei-Gewerkschaft in Maryland anders. Sie kämpfte, sekundiert von der republikanischen Partei und dem Gouverneur, gegen die Reform. Der Vize-Präsdeint des Fraternal Orders of Police in Maryland, Angelo Consoli, hält sie für schlicht fahrlässig. Problematisch sei vor allen der neue Standard für Gewaltgebrauch bei Einsätzen.

Beamte dürfen also nur Gewalt einsetzen, wenn dies verhältnismässig sei. Doch Polizisten und Polizistinnen hätten unter Gefahr keine Zeit darüber nachzudenken, was bei einer möglichen Untersuchung im Nachhinein verhältnismässig erscheine, meint Consoli. Sie müssten Sekunden-Entscheide treffen, ob sie schiessen oder nicht.

Neuer Kompromisswille bei der Polizei

Polizisten und Polizistinnen würden nun vor die Wahl gestellt, ihr Leben zu riskieren oder lieber im Einsatzwagen zu bleiben, sagt der Gewerkschaftsführer des brüderlichen Polizeiordens in Maryland – und droht – das werde zu mehr Verbrechen führen. Doch Consoli gibt sich auch kompromissbereit: Er stellt sich nicht dagegen, dass bei Untersuchungen Zivilpersonen Einsicht hätten und ein Mitspracherecht.

Bisher kämpfte die mächtigste Polizei-Gewerkschaft gegen jede externe Kontrolle. Der neue Kompromisswille mag als Zeichen gelten, wie sehr die Polizei derzeit politisch im Gegenwind steht – in Maryland und anderen Bundesstaaten in den USA.

Echo der Zeit, 23.4.2021, 18 Uhr

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