In Brasilien kommt es zur Stichwahl. Der Rechtspopulist Jair Bolsonaro hat die meisten Stimmen geholt. Er tritt gegen den zweitplatzierten Fernando Haddad an. Auch dieser hat noch Chancen, Präsident zu werden, sagt SRF-Lateinamerika-Korrespondent Ulrich Achermann.
SRF News: Wieso hat Jair Bolsonaro so viele Stimmen erhalten?
Das hat mit dem ziemlich gefährlichen Mix aus Zorn, Verzweiflung und Frustration zu tun. Der Zorn ist auf die Vernachlässigung der Bevölkerungsmehrheit durch korrupte Eliten zurückzuführen. Die Verzweiflung hängt mit der grossen Kriminalität zusammen und die Frustration damit, dass auch linke Regierungen wie die von Lula da Silva und Dilma Rousseff korrupt geworden sind. Das hat die Wählerschaft nicht erwartet.
In die Endrunde kommen genau die zwei Kandidaten, denen auch die grösste Ablehnung seitens der Wähler entgegenschlägt.
Fernando Haddad von der linksorientierten Arbeiterpartei hat ein knappes Drittel der Stimmen erhalten. Hat – wer ihn gewählt hat – im Grunde das Gegenteil von Bolsonaro gewählt?
Das ist so. Brasilien hat bis jetzt noch nie eine derart polarisierte Wahl erlebt. In die Endrunde kommen genau die zwei Kandidaten, denen auch die grösste Ablehnung seitens der Wähler entgegenschlägt.
Läuft es darauf hinaus, dass es einen Präsidenten gibt, der nicht alle Menschen in Brasilien vertritt?
Ja. Diese Polarisierung bereitet natürlich Sorgen über die Wahlen hinaus. Niemand weiss so genau, ob Regierung und Opposition in Zukunft gemässigtere Töne anschlagen, ob man miteinander spricht und verhandelt, und ob sich die Lage vielleicht dann doch etwas entschärft.
Wer hat denn nun die besseren Chancen in der Stichwahl?
Es ist klar, dass Bolsonaro als Favorit ins Rennen geht. Das ist am Wahlergebnis abzulesen. Aber wenn es Fernando Haddad gelingt, eine Allianz mit den Mitte-Wählern zu schmieden und ein ausgewogenes Regierungsprogramm vorzulegen, dann hat auch er durchaus Chancen.
Das Gespräch führte Joël Hafner.