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Pressefreiheit in Australien Fall Pell: Gericht geht nach Freispruch gegen Medien vor

Die Berichterstattung zum Missbrauch-Prozess wird zum Prüfstein der Pressefreiheit in Australien.

In Australien stehen 30 sowohl australische als auch internationalen Medien, Journalisten und Herausgeber aufgrund der Berichterstattung im Fall des römisch-katholischen Kardinals Pell vor Gericht.

Sie sollen 2018 gegen die Auflage, dass über das erste Urteil gegen Pell nicht berichtet werden darf, verstossen haben. Das Gericht verhängte diese Auflage damals, um eine Vorverurteilung in den Medien in Bezug auf einen zweiten Prozess zu unterbinden. Diese zweite Anklage wurde später aufgrund mangelnder Beweise eingestellt.

Pell, die Prozesse und die Medien

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Kardinal George Pell, ehemaliger Erzbischof von Melbourne und später von Sydney, war einer der einflussreichsten Männer im Vatikan. Von 2013 bis Oktober 2018 war er Mitglied des päpstlichen Kardinalsrats, von Februar 2014 bis Februar 2019 war er Präfekt des neuen Wirtschaftssekretariats der Römischen Kurie.

Im Jahr 2007 wurde dem Kardinal die Vertuschung von Missbrauchsfällen vorgeworfen. Ab 2017 wurden gegen Pell Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs von Knaben durchgeführt. 2018 wurde er schuldig gesprochen. Die erste Berufungsinstanz bestätigte dieses Urteil. Es wurde letztinstanzlich im April 2020 durch den High Court of Australia aufgehoben. Pell ist damit von allen Vorwürfen freigesprochen.

Der Prozess, den der Kardinal gegen die Medien führt, bezieht sich auf die Zeit nach dem ersten Schuldspruch 2018, als eine zweite Anklage noch hängig war.

Internationale Publikationen wie die «Washington Post» und die «New York Times» berichteten 2018 über das erste Urteil, auch SRF tat dies.

Australische Medien unterliessen die direkte Berichterstattung zwar, aber sie beklagten sich darüber, dass ihnen verboten worden sei, über eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse zu berichten. Manche Publikationen verwiesen sogar auf Artikel in ausländischen Medien. Eine der beliebtesten Zeitungen in Melbourne, die «Herald Sun» publizierte eine schwarze Seite mit der Aufschrift «zensuriert».

Ein Graffiti an einer Kirchentür zeigt: Der Freispruch von Kardinal Pell war nicht unumstritten.
Legende: Ein Graffiti an einer Kirchentür zeigt: Der Freispruch von Kardinal Pell war nicht unumstritten. Keystone

Es drohen happige Strafen

«Solche Verbote sind im australischen und britischen Recht nicht unüblich», sagt SRF-Korrespondent Urs Wälterlin. Der Bruch dieser Auflage kann mit Gefängnis für die Journalisten und Bussen für die Medienunternehmen bestraft werden.

Korrespondent Wälterlin sieht die Angelegenheit mit gemischten Gefühlen: «Es bestand damals wirklich die Gefahr, dass ein mutmasslicher Kinderschänder wegen Vorverurteilung hätte freikommen können.» Der Kardinal ist in der Zwischenzeit freigesprochen worden. «Damals war die Situation eine andere.»

Investigativjournalismus bedroht

«In einer Demokratie sollten die Medien frei und fair und ausgewogen berichten können. Das ist in Australien ein gefährdetes Gut», sagt Wälterlin. Medien und Journalisten kämen immer mehr unter Druck. Verschiedene Gesetze seien eingeführt worden oder geplant, so dass vor allem Investigativjournalisten mit einem Fuss im Gefängnis stünden, wenn sie nur ihren Job erledigten. Auch Whistleblower riskierten in Australien ihre Freiheit, wenn sie über Skandale berichteten.

«Die Polizei hat sogar Razzien bei Journalisten, die Probleme aufgedeckt haben, durchgeführt», so Wälterlin. Zwar wurde dieses Vorgehen vor Gericht gerügt und die Verfahren abgebrochen. Doch: «Das Ziel, kritische Medien einzuschüchtern, das wurde erreicht.»

SRF 4 News, 10.11.2020; 06:24 Uhr ; 

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