Es war Brasiliens grösster Industrie-Unfall: Vor genau zwei Jahren brach der Damm einer Eisenerz-Mine in der brasilianischen Stadt Brumadinho. 259 Menschen starben in der Schlammlawine, elf werden noch immer vermisst. Nun hat der betroffene Bergbaukonzern Vale ein Abkommen zur Zahlung einer Entschädigung von umgerechnet rund sechs Milliarden Franken geschlossen. Gegen den Bergbaukonzern läuft aber immer noch ein Verfahren wegen Mordes. Und die Probleme in Brasiliens Bergbauindustrie bestehen weiter.
Der Schock sass damals in ganz Brasilien tief, besonders weil die Menschen die Bilder von tödlichen Schlammmassen schon kannten. Drei Jahre zuvor war 120 Kilometer von Brumadinho entfernt ebenfalls der Damm einer Eisenerz-Mine gebrochen. Damals starben 19 Menschen.
«Dann ist die Katastrophe eben da»
Es gibt in ganz Brasilien noch über 700 weitere Dämme dieser Art. Das beunruhigt Susanne Friess. Sie ist Expertin für Bergbau beim deutschen Hilfswerk Misereor, das sich seit Jahren für die Opfer der brasilianischen Unglücksminen engagiert. Sie sagt im Interview mit Radio SRF: «Diese Dämme sind tickende Zeitbomben. Der Damm, der gebrochen ist in Brumadinho, der wurde elfmal erhöht und irgendwann kollabierte das. Und dann ist die Katastrophe eben da.»
In vielen Ländern Südamerikas und in Europa sind Dämme dieser Bauweise verboten. Diese sogenannten Upstream-Dämme sind mit grossen Risiken verbunden. Seit Ende letzten Jahres dürfen sie nun in Brasilien nicht mehr gebaut werden. Die bereits gebauten sind aber weiterhin ein Risiko. Derzeit verfügen in Brasilien 55 Dämme über keine gültige Zertifizierung, 45 Dämme sind stillgelegt und könnten jederzeit brechen.
Die nächste Katastrophe lauert bereits
Die nationale Bergbau-Behörde hat Ende letzten Jahres ein Überwachungszentrum eingerichtet. Da sollen die als kritisch eingestuften Dämme ständig per Video und mit Datenanalysen überwacht werden. Aber das reicht nicht.
Die meisten Dämme werden höchstens lückenhaft durch Inspektoren vor Ort beaufsichtigt. Minas Gerais ist mit Abstand der Bundesstaat mit den meisten derartigen Dämmen; von dem in Brasilien geförderten Eisenerz stammt mehr als die Hälfte aus diesem vom Bergbau geprägten Bundesstaat.
Fünf Fachleute für 364 Dämme
Für die 364 Dämme in Minas Gerais sind gerade mal fünf Fachleute für die Überwachung angestellt. Derzeit arbeitet aber nur einer: Einer ist im Urlaub, ein weiterer krank und zwei sind wegen Corona beurlaubt.
Im März soll das Gerichtsverfahren beginnen, um die Verantwortlichen für den Dammbruch von Brumadinho zur Rechenschaft zu ziehen. Doch die nächste Katastrophe lauert bereits.