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Proteste gegen Lukaschenko Gewalt gegen Demonstrierende in Belarus – Albtraum ohne Ausweg

Friedlich, ordentlich, sicher. Das war das Image der belarussischen Hauptstadt Minsk. Doch seit gut drei Monaten ist alles anders: Minsk gleicht eher einem Schlachtfeld, jeden Sonntag. Auch heute wieder: Schon am Morgen fahren Militärfahrzeuge auf, zentrale Plätze werden abgeriegelt, Metrostationen geschlossen.

Als dann gegen Mittag die Menschen aus den Wohnvierteln in Richtung Zentrum strömen, treffen sie auf hochgerüstete Sondereinheiten. Die Polizisten schiessen Blendgranaten mitten zwischen friedliche Männer und Frauen. Schwarz gekleidete Stosstrupps machen Jagd auf Demonstranten. Wen sie in die Finger kriegen, den zerren sie in einen ihrer Minibusse.

Demonstranten mit Flagge in Minsk
Legende: Demonstrierende heute in der belarussischen Hauptstadt Minsk. Reuters

Noch weiss man nicht, wie viele es heute erwischt hat. Aber das Ausmass der Repression ist gewaltig. Seit Beginn der Proteste im August sind über 25'000 Menschen festgenommen worden. Die meisten davon werden nach ein paar Stunden oder Tagen wieder freigelassen. Aber viele berichten, dass sie in der Haft gefoltert wurden.

15. Sonntagsdemo in Minsk: Blendgranaten und 200 Verhaftungen

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Sicherheitskräfte in Minsk
Legende: Reuters

Tausende Menschen haben trotz Polizeigewalt zum 15. Mal in Serie in Belarus bei einer Sonntagsdemonstration gegen Machthaber Alexander Lukaschenko friedlich protestiert. In der Hauptstadt Minsk versammelten sich die Menschen zunächst in ihren Wohnvierteln und bildeten dann einzelne Protestzüge mit den historischen weiss-rot-weissen Fahnen der Opposition.

Die Polizei begann schon zu Beginn der nicht genehmigten Versammlungen mit Festnahmen. Das Menschenrechtszentrum Wesna veröffentlichte am Nachmittag die Namen von mehr als 200 Festgenommenen.

An den vorangegangenen beiden Sonntagen kam es jeweils zu rund 1000 Festnahmen. Auch in anderen Städten forderten Menschen erneut Lukaschenkos Rücktritt. Offiziell war die Aktion diesmal als «Marsch gegen den Faschismus» angekündigt. Die Organisatoren regierten damit auf jüngste Beschimpfungen durch Lukaschenko, sie seien Faschisten.

Der Machtapparat zog Hundertschaften vermummter Uniformierter von Innenministerium und Armee in Minsk zusammen. Gefangenentransporter, Wasserwerfer und andere schwere Technik standen bereit. Es wurden zur Abschreckung Leucht- und Lärmgranaten gezündet, wie auf Bildern im Nachrichtenkanal Telegram zu sehen war. Das Innenministerium in Minsk bestätigte den Einsatz von «Spezialmitteln».

Die grossen Plätze der Hauptstadt waren mit Metallgittern abgesperrt. Die Behörden regelten zeitweilig erneut das mobile Internet herunter und sperrten stundenlang etwa zehn Metrostationen. So sollten Menschenansammlungen verhindert werden.

Die Proteste der Demokratiebewegung dauern seit mehr als drei Monaten an. Die Bewegung fordert auch ein Ende der Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, die Freilassung aller politischen Gefangenen und eine Neuwahl. Lukaschenko beansprucht den Sieg der Präsidentenwahl vom 9. August mit 80.1 Prozent der Stimmen für sich – nach 26 Jahren im Amt. Die Opposition sieht dagegen die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja als Siegerin der Wahl.

Die Gewalt hat System

Dabei ist Gewalt nicht die Ausnahme, sie hat System. Gefangene werden gezielt erniedrigt, manche so heftig geschlagen, dass ihre Körper übersät sind mit blauen Flecken. Auf verwackelten Videos sieht man Menschen, die sich mit erhobenen Händen an eine Wand stellen müssen – bewacht von Uniformierten. Solche Bilder kennt man sonst aus Kriegsgebieten.

«Sie wollen uns einschüchtern, sie wollen uns brechen», hat eine Ärztin lokalen Journalisten erzählt. Sie war festgenommen worden, als sie mit Freundinnen durch die Stadt spazierte.

Die Verantwortung für diese exzessive Gewalt trägt Alexander Lukaschenko. Der Langzeitherrscher liess im August die Präsidentschaftswahl fälschen. Gegen diesen Betrug rebelliert jetzt das Volk, der Autokrat schickt seine Männer mit den Gummiknüppeln. Dabei hat Lukaschenko klargemacht, dass es für ihn um alles geht, er bis zum Letzten kämpfen will. «Seine Liebste gibt man nicht her», sagte er einmal über Belarus. Als wär das Land seine Braut.

Die Menschen riskieren ihr Leben

Doch auch die Menschen geben nicht auf; und riskieren dabei nicht nur ihre Freiheit, sondern auch ihr Leben. Kürzlich etwa wurde Roman Bondarenko zu Grabe getragen. Der 31-Jährige hatte sich für die Opposition engagiert, war von Sicherheitskräften verprügelt worden und starb kurz darauf an einem Schädel-Hirntrauma. An seine Beerdigung kamen Tausende.

Hunderte Personen versammeln sich anlässlich der Beerdigung von Demonstrant Roman Bondarenko und machen zum Zeichen des Protests das Friedenszeichen
Legende: Hunderte Personen versammelten sich am Freitag anlässlich der Beerdigung von Demonstrant Roman Bondarenko. Reuters

«Ich geh jetzt raus.» Das waren die letzten Worte von Bondarenko, bevor er auf den Platz ging, auf dem er tödlich verletzt wurde. «Ich geh jetzt raus», hat auf dem Friedhof die Menge gerufen. Der Tod Bondarenkos ist für viele im Land eine Aufforderung, nicht aufzugeben.

Es ist, als wäre Belarus in einen Albtraum gerutscht, aus dem es keinen Ausweg gibt. Auch nächsten Sonntag wird wieder demonstriert, die Polizei wird wieder brutal einschreiten.

Info 3, 22.11.20, 17.00 Uhr

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