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Recycling in Deutschland Wenn nicht nach China: Wohin mit all dem Plastikmüll?

Peking hat ein Importverbot für verschiedene Abfallsorten erlassen. Leidtragende sind vor allem die Deutschen.

  • «Deutschland versinkt im Plastikmüll», titelte kürzlich die «Frankfurter Allgemeine Zeitung».
  • Schuld daran ist auch das neue Importverbot aus Peking für 24 verschiedene Abfallsorten.
  • Deutschland exportierte bisher rund eine halbe Million Tonnen Altplastik pro Jahr nach China.

Zuerst eine Zahl: Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe, einer NGO, sagt: «Der Verpackungsabfall in Deutschland erreicht von Jahr zu Jahr neue Rekordmengen. Die neuesten Zahlen für das Jahr 2015 belegen einen neuen Spitzenwert mit 18,1 Millionen Tonnen.» Pro Kopf seien das 218 Kilogramm.

«Damit liegt Deutschland 20 Prozent über dem europäischen Durchschnitt und ist Europameister beim Anfall von Verpackungsabfall», erklärt Fischer. Das chinesische Importverbot für 24 Arten von Abfall treffe Deutschland deshalb ganz besonders.

Deutschland liegt 20 Prozent über dem europäischen Durchschnitt und ist Europameister beim Anfall von Verpackungsabfall.
Autor: Thomas Fischer Deutsche Umwelthilfe

«Alleine im Jahr 2016 wurden mehr als 560'000 Tonnen Plastikabfälle nach Fernost exportiert und verschifft», so Fischer. China stelle beispielsweise aus Verpackungsabfällen T-Shirts oder aus Plastikabfällen Parkbänke her. Am Ende der Lebensdauer dieser Produkte werde alles verbrannt. China möchte nun einen eigenen Recyclingkreislauf mit den selbst produzierten Materialien herstellen.

Wohin mit dem Müll, wenn nicht nach China?

Und Deutschland? «Deutschland hat jetzt das Problem, mit diesen Abfällen hier im Land umzugehen und daraus noch nutzbringend etwas herzustellen», so Fischer.

Was passiert also mit den 560'000 Tonnen Abfall, die nicht mehr nach China exportiert werden können? Diese Frage geht an Stefan Haufe, Sprecher des Umweltministeriums: «Wir können nicht genau sagen, wo diese 560'000 Tonnen jetzt eingesetzt werden.» Natürlich werde statistisch erfasst, was aus Kunststoffabfällen gemacht wird. «Dafür gibt es ja auch Quoten, und die Quoten müssen ja auch kontrolliert werden», so Haufe. «Ich kann Ihnen heute nicht sagen, was aus diesen Mengen wird. Das werden wir in den nächsten Monaten sehen. Aber wir rechnen damit, dass daraus auch hochwertiges Rezyklat entsteht.»

Umwelthilfe befürchtet Verlagerung nach Taiwan

Fischer von der Umwelthilfe kritisiert die Bundesregierung: «Sie hat geschlafen», wirft er ihr vor. Haufe weist das zurück: «Wir haben gar nicht geschlafen, denn das Verpackungsgesetz sieht ja vor, dass wir die Recyclingquote quasi verdoppeln.»

Die Quote soll bis 2022 auf 63 Prozent angehoben werden. Doch das geschehe erst ab 2019, kritisiert Fischer von der DHU. Bis die neuen Regelungen greifen, vergehe ein ganzes Jahr. Am Ende werde wahrscheinlich mehr verbrannt. «Was wir nicht hoffen, denn das wäre das noch schlechtere Szenario, wäre, dass diese Exportkarawane von China weiterzieht in die Nachbarstaaten, etwa nach Taiwan.»

Wir setzen uns zum Beispiel dafür ein, dass bei Smartphones Akkus austauschbar sind und nicht das ganze Gerät entsorgt werden muss.
Autor: Stefan Haufe Sprecher Umweltministerium

Für die EU habe die Abfallvermeidung vor dem Recylieren oberste Priorität. In Deutschland sei es aber billiger, neue Verpackungen herzustellen, als recyclierte, betont Fischer. «Verpackungen sind in Deutschland viel zu billig. Die Lizenzentgelte für das Inverkehrbringen von Verpackungen sind in den letzten zehn Jahren gesunken. Die haben sich faktisch halbiert.» Dazu komme, dass die Verpackungsindustrie ein sehr starker Wirtschaftszweig sei.

«Wenn Sie mal alleine bei den Getränkeverpackungen Aldi und Lidl zusammennehmen, die haben im Mineralwasserbereich nur mit Einwegplastikflaschen und Getränkedosen einen Marktanteil von über 52 Prozent.» 63 Prozent des Obstes und Gemüses würden heute verpackt, sagt Fischer.

Bei Verpackungsrecycling «viel Luft nach oben»

Haufe vom Umweltministerium verweist dagegen auf Erfolge bei der Nachhaltigkeit: «Wir sorgen dafür, dass Produkte länger haltbar sind. Wir setzen uns zum Beispiel dafür ein, dass bei Smartphones Akkus austauschbar sind und nicht das ganze Gerät entsorgt werden muss.» Doch angesichts des unschönen Titels des europäischen Abfallmeisters ist Handlungsbedarf sicherlich gegeben.

Haufe vom Umweltministerium und Fischer von der DHU sind sich in einem Punkt einig: Das Recyclingsystem ist in Deutschland relativ gut. «Wir haben ganz gute Recyclingquoten in einzelnen Bereichen, etwa bei Glas, Papier, Pappe und Karton.»

Aber, so Fischer weiter: «Insbesondere beim Kunststoff sind wir gar nicht so gut, wie wir glauben. Bei einer Recyclingquote von Verkaufsverpackungen von nur rund 40 Prozent ist noch viel Luft nach oben.» Die Recyclingwirtschaft ist ein Milliardengeschäft und beschäftigt Hundertausende. Im günstigsten Fall ist die chinesische Importbeschränkung von Abfällen für Deutschland eine Motivation.

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