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Regierungskrise in Italien Matteo Renzi – Königsmacher, Rächer und Retter

Der ehemalige Regierungschef erweist sich als der Strippenzieher in Rom. Politik, Wut und Enttäuschung vermischen sich.

2014 war Matteo Renzi mit nur 39 Jahren der jüngste Regierungschef der italienischen Geschichte. Ein Superlativ. Dessen war sich Renzi stets bewusst. Bescheiden war und ist er nie. Kaum im Amt versprach er jeden Monat eine grosse Reform: Arbeitsrecht, öffentliche Verwaltung, Steuern – alles wollte Renzi verbessern, subito.

Sicher, sie kamen, Renzis Reformen. Aber sie führten zu den in Italien üblichen, episch langen Debatten, sie waren erdauert, erlitten. «La buona scuola» – seine Schulreform, war eine Zangengeburt.

Renzi stürzt Italien in eine Regierungskrise

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Nach dem Rückzug zweier Ministerinnen der bis dato mitregierenden Kleinpartei Italia Viva von Matteo Renzi am Mittwoch, steckt das Land in einer tiefen Regierungskrise. Am Montag will sich der parteilose Regierungschef Conte im Parlament dazu äussern. Der Regierungsstreit fällt mitten in die Corona-Pandemie und den Streit um milliardenschwere EU-Hilfen, die das Land zum Wiederaufbau nutzen soll.

Um für die «gute Schule» zu werben, posierte Renzi in einem Videoclip vor einer Schiefertafel. Renzi bat um fünf Minuten Aufmerksamkeit, um dann – typisch Renzi – einen 16-minütigen Monolog zu halten. Die Schulreform kam, war aber kein grosser Wurf.

Renzi
Legende: Vor gut einem Jahr verhalf Renzi der Regierung Conte aus Cinque Stelle und Sozialdemokraten in den Sattel. Nun ist er auch derjenige, der Conte stürzen will. Keystone

Was Renzi gegen alle Widerstände durchboxte, waren die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Und wirklich tiefe Spuren hinterliess Renzis Reform des Arbeitsrechts: der «Jobs Act». Er liberalisierte den Arbeitsmarkt. Das schaffte neue Stellen, aber die waren meist ohne Verträge, mit minimer sozialer Absicherung, argwöhnten seine Kritiker. Und von diesen gab es immer mehr, auch in seiner eigenen sozialdemokratischen Partei.

Renzi brach der linke Parteiflügel weitgehend weg. Doch das kümmerte Renzi, der stets in der Mitte politisierte, wenig. Schliesslich stürzte er nicht wegen der vielen Parteiaustritte, sondern weil er sich selbst überschätzte. Renzi hatte die Reform der italienischen Verfassung, die Entmachtung der zweiten Parlamentskammer, des Senats, an sein eigenes Schicksal gebunden.

Vor der dafür nötigen Volksabstimmung sagte er den Italienerinnen und Italienern: wenn ihr Nein stimmt, gehe ich. Und genau so kam es: Renzi verlor und trat 2016 zurück. Er versuchte erst gar nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. Renzi sprach von Wut, Enttäuschung, Bitterkeit, Traurigkeit.

Er, der den Senat am liebsten abgeschafft hätte, wurde selbst Senator. Und für drei Jahre wurde es still um ihn. Erst im Sommer 2019 drängte er ins Rampenlicht zurück. In dem stand damals vor allem einer: Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini.

Selbsternannter Retter der Republik

Salvini forderte für sich umfassende Vollmachten – pieni poteri. Für Renzi war das ein Weckruf. Innert kürzester Zeit gelang ihm ein Kunststück: Er fügte die bisher verfeindete Bewegung der Cinque Stelle und die Sozialdemokraten zu einer Koalition gegen Salvini zusammen: «Wir haben Italien vor Matteo Salvini gerettet», brüstete sich Renzi vor seinen Anhängern.

Das war aber nicht alles: Renzi trat damals auch aus dem sozialdemokratischen Partito Democratico aus. Und nahm einen Teil der Parlamentarier kurzerhand mit. Um sofort über eine eigene Partei zu verfügen, die nie eine Wahl gewonnen hatte, ohne die die Regierung Conte aber über keine Mehrheit verfügte.

Die Niederlage von damals wirkt nach

Renzi hatte sich das perfekte Druckmittel geschaffen. Und dieses setzt er nun ein, um Premierminister Conte in die Knie zu zwingen. Für diese Regierungskrise gibt es inhaltliche Gründe, gewiss, vorab den Streit um die Milliardenhilfe der EU.

Parlament in Rom
Legende: Wie soll Italien die EU-Gelder einsetzen, um aus der Coronakrise zu kommen? Hier ist Premier Conte den Forderungen Renzis weit entgegengekommen. Keystone

Und trotzdem will Renzi die Krise. Man hat den Eindruck, nicht nur aus politischen, sondern auch aus persönlichen Gründen, aufgrund seiner nie verdauten Niederlage bei der Verfassungsabstimmung. Was waren schon wieder die Worte bei seinem Rücktritt: Wut, Enttäuschung, Bitterkeit, Traurigkeit.

franco.battel@srf.ch

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