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Regierungskrise in Österreich Kurz vor dem Aus?

Auf den ersten Blick hat sich Bundeskanzler Sebastian Kurz auf der ganzen Linie durchgesetzt. Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl sind aus der Regierung entfernt. Daraufhin sind auch alle anderen Minister der rechtsnationalen FPÖ zurückgetreten.

Kanzler Kurz wird sie durch sogenannte Experten ersetzen, also mit Beamten aus den Ministerien, die mindestens bis zu den vorgezogenen Wahlen im September die Ministerarbeit übernehmen. Das bedeutet: die Volkspartei von Kanzler Kurz regiert mit dieser sogenannten Expertenregierung allein, «ohne Hemmschuh», so Kurz.

Alles gut also für den Kanzler? Keineswegs. Plötzlich wird klar, warum der Kanzler so lange mit der Entlassung von Innenminister Kickl gezögert hat. Weil er wusste, dass er damit seinen Sturz riskiert.

Aus Partnern werden Gegner

Eineinhalb Jahre lang funktionierte die Koalition von Kurz’ ÖVP mit der FPÖ. Nach dem Bruch wurden die Partner innerhalb weniger Stunden erbitterte Gegner.

Der Oppositionspolitiker Peter Pilz (Liste Jetzt) hat für die Parlaments-Sondersitzung vom kommenden Montag ein Misstrauensvotum gegen Kurz angekündigt. Die FPÖ werde dort für den Sturz von Kurz votieren, kündigte der gestürzte Innenminister Herbert Kickl an: «Der Hausverstand sagt einem, dass es relativ schwer ist, von jemandem das Vertrauen zu verlangen, der einem gerade das Misstrauen ausgesprochen hat».

Um Kurz zu stürzen braucht es auch die Stimmen der Sozialdemokraten. Doch auch die wollen Kanzler Kurz stürzen. SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner erklärte, sie unterstütze die neue Expertenregierung nur, wenn auch an Stelle von Kanzler Kurz ein solcher Experte trete.

Wunderkind würde zum Alt-Kanzler

Am nächsten Montag dürfte es im österreichischen Nationalrat also zum Showdown kommen. Spannen die rechtsnationale FPÖ und die linke SPÖ zusammen, wird Kanzler Kurz gestürzt.

Er wäre damit politisch zwar nicht am Ende. Kurz liegt in den Umfragen weiterhin weit vor der Konkurrenz. Aber er würde damit seinen Nimbus verlieren. Er würde nicht mehr – wie 2017 – als politisches Wunderkind und «Wunderwuzzi» (Tausendsassa) in den Wahlkampf ziehen, sondern als gestürzter Alt-Kanzler. Und das wäre sicher kein Vorteil für den siegesgewohnten Wiener.

Peter Balzli

Österreich- und Osteuropa-Korrespondent

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Peter Balzli hat Wirtschaft und Medienwissenschaften in Bern und Berlin studiert. Danach absolvierte er die Ringier-Journalistenschule und begann 1995 beim SRF zu arbeiten. Bevor er zwischen 2001 und 2013 als SRF-Korrespondent aus Paris und London berichtete, arbeitete Balzli 2000 bis 2001 als Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Seit 2016 ist Peter Balzli Österreich- und Osteuropa-Korrespondent.

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