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International «Renzi ist die letzte Chance für Italien»

Mit Ministerpräsident Matteo Renzi weht auf dem italienischen Polit-Parkett ein frischer Wind. SRF-Korrespondent Philipp Zahn über Renzis Reformpläne, sein junges Kabinett und die Nähe zu Silvio Berlusconi.

SRF News Online: Der neue Ministerpräsident Matteo Renzi hat versprochen, das EU-Krisenland Italien grundlegend zu reformieren. Was kann man von ihm erwarten?

Philipp Zahn: Man muss von Renzi erwarten, dass er seine Versprechen einlöst. Doch das wird schwierig. Denn Renzi hat sich vorgenommen, in einem rasenden Tempo Reformen einführen, wie es vor ihm noch kein Regierungschef geschafft hat.

Was bedeutet das konkret?

Renzi schlägt vor, in den nächsten vier Monaten jeden Monat eine Reform einführen. Als erstes kommt es zur Wahlrechtsreform und der Reform des Senats. Renzi will den Senat zu einer Kammer der Regionen umwandeln. Dann will er im März den Arbeitsmarkt reformieren und dafür sorgen, dass vermehrt auch junge Menschen eingestellt werden. Im April möchte er die öffentliche Verwaltung und den gesamten italienischen bürokratischen Apparat reformieren und im Mai das Steuersystem vereinfachen und die Unternehmens- und Einkommenssteuern senken. Fraglich, ob das Matteo Renzi in vier Monaten schafft.

Was ist Ihre Einschätzung?

Es ist sehr schwierig. Wenn man sich die Liste seines Kabinetts ansieht, fragt man sich, ob das nicht eine wieder aufgekochte Letta-Regierung sei. Die politische Zusammensetzung ist gleich.Angelino Alfano bleibt Innenminister. Die neue Regierung ist in dieser Konstellation kein Garant für rasche Reformen. Auch muss sie den Eindruck erst noch widerlegen, dass italienische Politik sich durch Beharrungswillen auszeichnet, in der man seine Pfründe zu retten versucht.

Wie unterscheidet sich Renzi von Vorgänger Letta?

Renzi ist ein ganz anderer Typ. Enrico Letta war ein sehr besonnener und zurückhaltender Diplomat. Matteo Renzi hingegen ist eher ein Polterer und erinnert sehr an Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi. Renzi hat Züge eines Populisten. Er hat eine sehr einfache, einprägsame Sprache, die bei den Menschen gut ankommt. Aber die Zeit der Ankündigungen ist jetzt für ihn vorbei, jetzt muss Renzi Taten liefern.

Berlusconi hat Renzi Rückendeckung aus der Opposition heraus zugesagt. Stehen sich die beiden wirklich so nahe?

Renzi und Berlusconi sind sich nahe, weil sie beide machiavellistische Züge tragen. Für Berlusconi ist Renzi sicher eine gute Lösung. Er kann so weiterhin einen gewissen Einfluss auf die italienische Politik ausüben. Vor allem, weil es ja auch Minister in der Renzi-Regierung gibt, die Berlusconi relativ nahe stehen. Zum Beispiel Federica Guidi, die als Wirtschaftsministerin ins Amt kommt. Man sagt jetzt schon, dass Guidi quasi ein U-Boot von Silvio Berlusconi in der Regierung von Matteo Renzi sei.

Was erhofft sich Renzi von Berlusconi?

Berlusconi ist weiterhin der politische Anführer der grössten Partei im rechten politischen Spektrum. Renzi ist sich bewusst, dass man nur in grossen Zügen grundlegende Reformen in Italien bewerkstelligen kann. Renzi möchte nicht als linke Regierung Italiens in die Geschichtsbücher eingehen, sondern als links-liberale Reformregierung, und da gibt es natürlich auch inhaltlich immer wieder genügend Anknüpfungspunkte mit Berlusconi.

Verrät so Renzi nicht seine Ideale? Ist er überhaupt noch ein Linker?

Viele in Italien sagen, dass Renzi nie ein wirklicher Linker gewesen sei. Renzi ist ein Linksliberaler. Es gibt in seiner eigenen Partei (Partito Democratico) Strömungen, die Renzi nicht unterstützen werden. Sie werfen ihm vor, die Ideen der Linken in Italien zu verraten.

Renzi macht sich aber für die Jugend stark. In seinem Kabinett sitzen so viele Junge wie noch nie. Wird diese junge Regierung überhaupt ernst genommen?

Renzi hat eine ganz junge Frau ins Ministeramt gehoben, Marianna Madia. Sie soll die Reform des bürokratischen Apparats umsetzen. Das Problem: Sie ist hochschwanger und wird in den kommenden Monaten ausfallen. Da stellen sich natürlich viele Italiener die Frage, ob mit so einer Personalentscheidung das ehrgeizige Zielüberhaupt realisiert werden kann. Andere behaupten, Renzi habe in vielen Positionen einfach nur Marionetten eingesetzt, die nach aussen hin schön aussehen. In Wirklichkeit werde der Chef selbst die Entscheidungen treffen.

Ist dank Renzi in Italien eine Aufbruchstimmung zu spüren?

Es ist weniger eine Aufbruchstimmung, sondern mehr eine neugierige Stimmung. Scheitert Renzi, gibt es niemanden, der das Steuer noch rumreissen könnte. Renzi ist die letzte Chance, um in Italien die seit vielen Jahren angekündigten Reformen einzuleiten und schnell umzusetzen. Schafft das Renzi nicht, steht das Land wirklich vor dem Ende.

Das Gespräch führte Benedikt Widmer.

Italienische Ministerpräsidenten seit 1946

MinisterpräsidentTage im Amt (gesamt)Partei
Silvio Berlusconi3297Forza Italia, Il Popolo della Libertà
Alcide De Gasperi2496Democrazia Cristiana
Giulio Andreotti2226Democrazia Cristiana
Aldo Moro2074Democrazia Cristiana
Romano Prodi1492L’Ulivo
Amintore Fanfani1389Democrazia Cristiana
Bettino Craxi1272Partito Socialista Italiano
Antonio Segni1044Democrazia Cristiana
Mariano Rumor925Democrazia Cristiana
Giuliano Amato700Partito Socialista Italiano, L’Ulivo
Massimo D’Alema542Democratici di Sinistra
Emilio Colombo527Democrazia Cristiana
Mario Scelba497Democrazia Cristiana
Giovanni Spadolini487Partito Repubblicano Italiano
Francesco Cossiga405Democrazia Cristiana
Ciriaco De Mita401Democrazia Cristiana
Mario Monti400parteilos
Adone Zoli396Democrazia Cristiana
Lamberto Dini359parteilos
Carlo Azeglio Ciampi353parteilos
Enrico Letta292Partito Democratico
Giovanni Leone285Democrazia Cristiana
Giovanni Goria227Democrazia Cristiana
Arnaldo Forlani220Democrazia Cristiana
Giuseppe Pella141Democrazia Cristiana
Fernando Tambroni116Democrazia Cristiana
Matteo Renzi2Partito Democratico

Philipp Zahn

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Philipp Zahn

Philipp Zahn berichtet für SRF aus Italien und dem Vatikan. Er lebt seit 1995 in Rom. Zahn studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Philosophie in Berlin und Siena.

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