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Ringen um den Brexit Nordirische DUP lehnt Brexit-Pläne ab

  • Heute beginnt der EU-Gipfel in Brüssel. Im Fokus steht das Ringen um den Brexit.
  • EU-Unterhändler Michel Barnier hat nach Angaben von Diplomaten am Mittwochabend bei einem EU-Treffen gesagt, es herrsche auf Expertenebene Einigkeit in verschiedenen Punkten.
  • So sei eine Zollregelung für Nordirland gefunden worden. Unterdessen hat die nordirische Democratic Unionist Party (DUP) diese Einigung abgelehnt.

«So wie die Dinge stehen, können wir nicht unterstützen, was zum Zoll und zu Zustimmungsfragen vorgeschlagen worden ist», heisst es in einer Mitteilung der DUP.

Die DUP werde aber weiter mit der Regierung daran arbeiten, eine vernünftige Lösung zu finden, teilen Parteichefin Arlene Foster und ihr Stellvertreter Nigel Dodds mit.

Kurz vor dem EU-Gipfel hatten Experten der EU und Grossbritanniens bis Mittwochabend wichtige Brexit-Fragen geklärt gehabt. Vertreter der EU und Grossbritanniens erklärten in Brüssel, es werde weiter verhandelt und man sei noch nicht am Ziel.

Für SRF-Korrespondent Charles Liebherr ist eine Einigung und ein neues Austrittsabkommen mit einem neuen Austrittstermin weiterhin möglich. «Die Zeit dürfte aber nicht ausreichen, das vor dem 31. Oktober zu klären und auch die Zustimmung von beiden Parlamenten in London und Brüssel zu erhalten. Darum wäre eine Verschiebung eine logische Konsequenz», erklärt er.

Noch liegt kein Vertragstext vor

Die Unterhändler sollten einen Vertragstext ausarbeiten, den die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag billigen könnten. Nach Angaben eines EU-Diplomaten lag aber noch kein Vertragstext vor. Auf EU-Seite herrscht Sorge, dass die Zeit zu knapp werden könnte. Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen in Brüssel lag auch noch keine politische Zustimmung Johnsons zur Einigung der Unterhändler vor.

Auch die Türkei ist Thema

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Die EU sucht am Gipfel auch nach einer gemeinsamen Antwort auf die türkische Militäroffensive in Syrien. Ein allgemeines Waffenembargo oder Sanktionen hatten vorab keine Mehrheit gefunden.

Der Brexit-Experte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, sagte nach einer Unterrichtung durch EU-Unterhändler Michel Barnier: «Es gibt Möglichkeiten für eine Einigung, aber es ist noch nicht vollbracht.» Verhofstadt erkannte an, dass es einen «fundamentalen Wandel» auf britischer Seite gegeben habe. Die offene Frage sei, ob das britische Unterhaus zustimmen werde.

«Die DUP ist der Schwanz, der mit dem Hund wackelt»

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Für SRF-Korrespondent Martin Alioth ist klar, wieso die DUP das Abkommen ablehnt: «Die DUP hat die Erwartung, dass irgend ein demokratischer Mechanismus zustimmen muss, bevor Nordirland den Regeln des Binnenmarkts weiterhin folgt.» Das wäre ein Vetorecht einer europäischen Region und eines der DUP direkt. Aber: «Die EU konnte das nie akzeptieren und der Vorschlag ist nun gescheitert.»

Die DUP sei innerhalb Nordirlands in einer Sackgasse. «Ich habe immer gesagt, dass die Brexit-Position der Partei etwas widersprüchlich ist», so Alioth. Im Dezember 2017 habe die DUP bereits Theresa May blamiert. Sie sei bereits zum Unterschreiben in Brüssel gewesen, als ein Telefonat von Parteichefin Arlene Foster kam, dass das so nicht gehe. Das war die Geburtsstunde des Backstops, der inzwischen auch hinfällig geworden ist. «Die DUP ist der Schwanz, der mit dem Hund wackelt», sprich der Kleine beherrscht den Grossen. Das könne nicht all zu lange gut gehen.

Kann Premierminister Boris Johnson der DUP noch etwas anbieten und sie zu einer Einigung bewegen? Alioth möchte das nicht ausschliessen. «Es ist auch britisches Geld für Nordirland auf dem Tisch.» Doch der grosse Knackpunkt sei anderswo zu finden. «Es geht hier einmal mehr um Identitätsfragen.»

Johnsons Zugeständnisse an die EU könnten die nötige Unterstützung im britischen Parlament aufs Spiel setzen. Der Premier hat keine Mehrheit im Unterhaus und ist auf jede Stimme angewiesen. Knackpunkt könnte sein, dass künftig wohl doch eine Zollgrenze zwischen der EU und Grossbritannien in der Irischen See verlaufen soll.

Historische Sitzung in London

Das Parlament soll auf einer Sondersitzung am Samstag über die angestrebte Vereinbarung abstimmen. Sie ist zwischen 10.30 Uhr und 15.00 Uhr angesetzt. Es ist die erste ausserordentliche Sitzung an einem Samstag seit 37 Jahren. Zunächst soll am Donnerstag darüber abgestimmt werden, ob das Treffen stattfinden kann.

Die frühere Tory-Abgeordnete Anna Soubry bezeichnete die knapp fünf Stunden am Samstag als unzureichend für unabhängige Bewertungen und Analysen. Johnsons Brexit-Deal sei schlechter als der seiner Vorgängerin Theresa May, der drei Mal vom Parlament abgelehnt worden war.

Johnson hatte am Mittwoch in London für sein Abkommen geworben, unter anderem bei einem einflussreichen Komitee von Politikern seiner Partei im Unterhaus.

Ziel ist ein geregelter EU-Austritt Grossbritanniens mit einer Übergangsphase, in der sich erstmal fast nichts ändert. Der Brexit ist derzeit für den 31. Oktober geplant.

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