Die nach Deutschland und Frankreich drittgrösste Volkswirtschaft der Euro-Zone ist besonders schwer vom Corona-Ausbruch betroffen. Das Land hat alle nicht versorgungsrelevanten Fabriken und Unternehmen dichtgemacht. In dieser Situation hofft Italien weiterhin auf die EU.
Doch Aussenminister Luigi Di Maio warnt: Wenn Brüssel weiterhin auf die alten Instrumente setze und nicht auf gemeinsame Anleihen der Eurostaaten, sogenannte Corona-Bonds, dann mache es Italien lieber allein. Diese Drohung könne die Regierung in Rom aber nicht wahrmachen, sagt Franco Battel.
SRF News: Wovor fürchtet sich die italienische Regierung?
Franco Battel: Neben dem Coronavirus hat Italien noch eine weitere grosse Angst. Das sind hohe Schuldzinsen. Der sogenannte Spread, der Risikoaufschlag auf italienische Schuldpapiere, könnte schon bald wieder stark anwachsen. Denn jetzt in der Krise wird die schon heute astronomisch hohe italienische Staatsschuld schnell weiter steigen. Man befürchtet, dass Italien neue Schulden nur gegen sehr hohe Zinsen wird aufnehmen können.
Was möchte Italien von den EU-Partnern, um dies abzuwenden?
Premierminister Giuseppe Conte sprach von Corona- oder Recovery-Bonds. Das heisst, nicht mehr die einzelnen EU-Staaten, sondern die EU als Ganzes soll solche Anleihen ausgeben. Italien erhofft sich davon, dass die Zinsen für solche gemeinsamen EU-Anleihen deutlich tiefer ausfallen würden, als wenn das hoch verschuldete Italien sich selbst am Kapitalmarkt eindecken müsste.
Brüssel hat noch nicht entschieden. Wie reagieren die Parteien darauf?
Hier in Italien herrscht seltene Einigkeit. Von links bis rechts hoffen alle auf Brüssel, dass nun ein Ruck durch die Europäische Union gehen möge.
Beim Aussenminister Luigi di Maio liegen die Nerven blank. Bei anderen Politikern auch?
Selbst besonnene Politiker sprechen von einer eigentlichen Nagelprobe für die EU. Zum Beispiel der Ex-Premierminister und Sozialdemokrat Enrico Letta, und erst recht Politiker wie Lega-Chef Matteo Salvini. Entweder bewähre sich die Europäische Union nun, oder es werde ganz schwierig werden.
Jetzt werden auch Patienten aus der Lombardei ins deutsche Leipzig ausgeflogen.
Dies sagten sie auch vor dem Hintergrund, dass die ersten die hier Hilfe geleistet haben, nicht etwa europäische Partner waren, sondern China und Russland. Auch wenn jetzt – das darf man sagen – auch Patienten aus der Lombardei zum Beispiel ins deutsche Leipzig ausgeflogen werden.
Di Maio sagte in seinem Appell an die EU wegen der finanziellen Hilfe am Schluss, «sonst macht es Italien allein». Könnte Italien das schaffen?
Nein, davon gehe ich nicht aus, Italien braucht nun Hilfe. Das scheint mir ausser Frage zu stehen. Was di Maio sagte, war Rhetorik, eine Drohkulisse. Und trotzdem sollte man die italienischen Befürchtungen ernst nehmen.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.