Zum Inhalt springen

Schulterschluss der Autokraten Lukaschenko und die starken Männer

Neben Putin stützt auch Xi Jinping das weissrussische Regime: Chinas Allianz mit Minsk hat wirtschaftliche Gründe.

Während am Sonntag erneut zehntausende Menschen in der weissrussischen Hauptstadt gegen den «letzten Diktator Europas» demonstrierten, markierte eben dieser Härte – und stieg mit einem Sturmgewehr in der Hand aus einem Helikopter.

Das Macho-Ritual erhält durch die Männerfreundschaft mit dem starken Mann in Moskau Nachdruck: Denn nach wie vor stützt Wladimir Putin – zumindest rhetorisch – das Regime in Minsk.

Doch der Kreml-Chef ist nicht allein: Auch auf den chinesischen Präsidenten kann Alexander Lukaschenko zählen. Zusammen mit Putin gehörte Xi Jinping zu den wenigen Staatsführern, die ihm zum vermeintlichen Wahlsieg gratulierten.

Auch aus Minsk gab es in der Vergangenheit warme Worte in Richtung Peking – und Taten: In internationalen Organisationen wie der UNO stimmt das Land stets wie China ab; und es stellt sich hinter Peking, wenn es Kritik an der Unterdrückung der Uiguren oder dem Umgang mit der Demokratiebewegung in Hongkong gibt.

Für die Regierung in Minsk geht es beim Schulterschluss mit China auch darum, die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Moskau zu verringern.

Partnerschaft ohne politische Forderungen

Box aufklappen Box zuklappen

Der weissrussische Aussenminister Uladsimir Makej erklärte in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung», warum Minsk die Nähe zu Peking sucht: «Wir hatten in der Vergangenheit Probleme durch die EU-Sanktionen. Und wir hatten auch Probleme mit unseren russischen Verbündeten. Beim Gas, beim Öl, beim Zucker. Und deshalb hat die Führung von Belarus entschieden, sich einen anderen strategischen Partner zu suchen. Einen, der keine politischen Bedingungen stellt.»

Doch was treibt das Riesenreich China an, sich hinter das kleine und isolierte Land an der Peripherie Europas zu stellen? Laut Martin Aldrovandi, SRF-Korrespondent in Schanghai, spielt dabei das Projekt einer neuen Seidenstrasse von China über Zentralasien nach Europa eine wichtige Rolle.

Kein Interesse an Regierungswechsel

Für China sei Weissrussland aufgrund seiner geografischen Lage ein Tor nach Europa: «Und das Land macht begeistert mit bei Chinas Belt-and-Road-Initiative.» Peking investiert denn auch massiv. Es hat Kredite an Weissrussland vergeben und unterstützt die dortige Infrastruktur – etwa mit einem riesigen Technologiepark ausserhalb von Minsk. «Dieser soll zu einem Hub für Innovation und Handel werden», so Aldrovandi.

Chinas Staatsmedien zitieren vor allem Lukaschenkos Regierung, wonach es sich um eine Einmischung aus dem Westen handeln würde.
Autor: Martin Aldrovandi SRF-Korrespondent in China

In der Region wird Weissrussland, auch Belarus genannt, von China als Partner geschätzt. Auch deshalb werde es die aktuelle Situation im Land genau verfolgen, so Aldrovandi. «Ein Regierungswechsel oder auch schlechtere Beziehungen zu Europa dürften sich negativ auf Weissrusslands Rolle als Chinas ‹Tor zu Europa› auswirken.»

Lukaschenko vor Arbeitern in einer Fabrik, 17. August
Legende: Zur besten Sendezeit berichtete Chinas staatliches Fernsehen zuletzt über die überschaubare Pro-Lukaschenko-Kundgebung – die Massenproteste gegen ihn blendete es aus. Reuters

Dazu kommt: Eine Demokratiebewegung – wenn auch über 6000 Kilometer von Peking entfernt – dürfte China aus innenpolitischen Gründen kaum unterstützen. In den Staatsmedien wird aber durchaus über die Vorgänge in Minsk berichtet, so Aldrovandi: «Sie zitieren vor allem Lukaschenkos Regierung, wonach es sich um eine Einmischung aus dem Westen handeln würde. Auch wird berichtet, dass die Regierung die Oberhand behalte.»

Insgesamt würden die Vorgänge in Minsk aber zurückhaltend dargestellt. Kritischere Stimmen sind derweil in den sozialen Medien in China zu finden. So würde etwa die Frage aufgeworfen, wie Lukaschenko bei den Wahlen 80 Prozent der Stimmen holen konnte – jetzt aber Massendemonstrationen gegen ihn stattfänden. Auch seien Menschen erstaunt darüber, dass solche Kundgebungen trotz Corona möglich seien.

SRF 4 News, 24.08.2020, 8:15 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel