In Schweden wird in diesen Tagen gewählt. Noch bis zum Sonntag sind knapp acht Millionen Stimmberechtigte aufgerufen, die lokalen, regionalen und das nationale Parlament zu wählen. Ein wichtiges Thema in Wahlkampf ist die schwedische Sicherheitspolitik. Und das ist besonders gut auf der zu Schweden gehörenden Ostseeinsel Gotland zu spüren.
Mitten drin in der Ostsee, auf halbem Weg zwischen Skandinavien und dem Baltikum, Finnland und Polen liegt die gut 3000 Quadratkilometer grosse Insel Gotland. Seit dem 17. Jahrhundert gehört sie Schweden und spielte in vielen bewaffneten Auseinandersetzungen in Nordeuropa eine wichtige strategische Rolle. Seit dem Ende des Kalten Krieges war das Gebiet jedoch eine Insel des Friedens – und vor zehn Jahren verliessen die letzten schwedischen Soldaten.
Heute ist Gotland mit ihren gut 60'000 Einwohnerinnen und Einwohnern vor allem eine beliebte Ferieninsel – täglich legen im Hafen der mittelalterlichen Hauptstadt Visby zahlreiche Fähren und Kreuzfahrtschiffe an.
Doch nur wenige Kilometer südlich von Visby wird derzeit ein grosses Areal gerodet, werden Strassen und Gebäude gebaut. Vor drei Jahren beschloss nämlich die schwedische Regierung, Gotland wieder zu militarisieren, sagt Oberstleutnant Hans Håkansson.
Laut der Regierung in Stockholm ist die Wiederaufrüstung vor allem wegen dem Nachbarn Russland notwendig. Die Besetzung der Krim habe gezeigt, dass Moskau auch vor Landübernahmen nicht mehr zurückschrecke. Deshalb sollen nun auf Gotland zahlreiche Militäranlagen entstehen und eine schnelle Eingreiftruppe stationiert werden.
Laut Oberstleutnant Håkansson bringt die Lokalbevölkerung dafür viel Verständnis auf: «Die meisten Menschen hier begrüssen die Rückkehr des Militärs und fühlen sich mit uns sicherer. Anwohner befürchten den zusätzlichen Lärm oder sind aus grundsätzlichen Überlegungen gegen den Wiederaufbau der Militäranlagen», betont Håkansson.
Die besondere Lage seiner Insel in der Ostsee ist denn auch für den Gotländer Mats Lindner Grund genug, die Rückkehr der Militärs zu begrüssen: «Nur wenig östlich von hier liegen drei ehemalige Sowjetrepubliken mit grossen russischen Minderheiten. Wenn im Baltikum etwas passiert, sind wir als erste davon betroffen», sagt der Journalist der Tageszeitung «Gotlands Allehanda».
Viel weniger positiv eingestellt gegenüber dem Militär ist Mait Juhlin, die in der nordgotländischen Hafenstadt Slite als Ortsentwicklerin wirkt. Sie befürchtet, dass in Zukunft die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Ostseeraum eingeschränkt werden könnte und nennt als Beispiel das Gasleitungsprojekt «Nordstream»: «Als vor zehn Jahren die erste russisch-deutsche Gasleitung ‹Nordstream 1› durch die Ostsee gebaut wurde, diente unser Hafen in Slite als Zwischenlager für die Rohrelemente. Jetzt wo ‹Nordstream 2› gebaut werden soll, dürfen wir das aus militärischen Gründen nicht mehr», sagt Juhlin.
Wenn im Baltikum etwas passiert, sind wir als erste davon betroffen.
Doch unabhängig davon, wer nach den Parlamentswahlen vom kommenden Sonntag in Schweden die Regierung bilden wird: Gotland soll in den kommenden Jahren wieder zu einem wichtigen schwedischen Militärstützpunkt werden. Alle politischen Parteien im Reichstag haben sich für die Wiederbewaffnung von Gotland ausgesprochen. Das Tauwetter in der Ostsee, das nach dem Ende des Kalten Krieges eingesetzt hatte, ist somit definitiv vorbei.