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Shitstorm als Waffe Die unheimliche Macht der Internet-Community

Äussern sich Stars oder Unternehmen unangebracht, kommt die Strafe postwendend – via Socialmedia. Ein Überblick.

Roseanne Barr, Star und Hauptfigur der US-Kultserie «Roseanne», twitterte und jetzt ist sie ihren Job los. Denn Ziel ihres Tweets, den die bekennende Trump-Anhängerin abgab, war die afroamerikanische Politikerin und ehemalige Beraterin von Barak Obama, Valerie Jarrett. Barr zwitscherte: «Hätten die Muslimbruderschaft und Planet der Affen ein Baby, würde es aussehen wie Valerie Jarrett.» Die Reaktionen der Internetgemeinde waren so harsch, dass der Fernsehsender ABC gerstern die Erfolgsserie trotz guter Quoten kurzerhand absetzte.

Starbucks, H&M im Visier der Shitstormer

Der Fall Barr ist nur das jüngste Ereignis einer Reihe von Shitstorms, bei denen Milliardenkonzene klein beigeben. Mitte April enschuldigte sich Starkbucks demütig in aller Öffentlichkeit, nachdem zwei farbige Männer in einem Starbucks-Café in Philadelphia verhaftet wurden. Die beiden Männer warteten ohne etwas zu bestellen auf einen Freund, was den Starbucks-Angestellten verdächtig vorkam. Sie riefen die Polizei.

Frage an den Experten: Wie reagiert man einen auf Shitstorm?

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SRF News: Nehmen Shitstorms gegen Grosskonzerne zu?

Patrick Suppiger: Das ist so. Einerseits werden soziale Medien immer breiter genutzt und sind in der gesellschaftspolitischen Diskussion immer relevanter. Auf der anderen Seite geht es meistens darum, etwas zu bewegen. Gerade Social Media lässt es zu, ziemlich rasch an eine breite Öffentlichkeit zu gelangen und diese zu mobilisieren.

Weshalb werden Shitstorms beliebter ?

Am Anfang eines Shitstorms steht meist eine (geschäfts-)politische Entscheidung: ein Produktfehler, eine Panne, eine Tat. Der Vorteil für einen «Anstifter» eines Shitstorms ist es, dass er mit einfachen Mitteln, ungefiltert und ohne Anspruch auf Korrektheit, via einem grossen Netzwerk breite Massen mobilisieren kann. Ein Shitstorm gehorcht den Regeln des klassischen Skandals. Social-Media-Nutzer verlangen im Shitstorm sofortige Antworten auf Beschwerden oder Kritik. Beim Umgang mit negativem Feedback in sozialen Netzwerken – was einen Shitstorm auszeichnet – gibt es grundsätzlich zwei Wege: Rückzug oder Angriff.

Wie reagieren Unternehmen auf Shitstorms?

Klassischerweise beginnt ein Shitstorm mit einem einfachen Kommentar einer unzufriedenen Person bei Facebook oder Twitter. Wenn niemand darauf reagiert, passiert auch meist nichts. Verbreitet sich aber ein solcher Kommentar schnell und mit hohen Klickzahlen in den sozialen Netzwerken, so greifen «Personen mit deutlicher Relevanz» das Thema auf. Spätestens jetzt wird es kritisch, denn von hier aus ist der Weg hin zu kleineren Onlineportalen und zu Newsseiten nicht mehr weit. Als Organisation oder Einzelperson kann man dann nur noch bestmöglich reagieren. Hinzu kommt, dass Unternehmen oftmals nicht vorbereitet sind und dann falsch reagieren. Dies führt sprichwörtlich dazu, dass sie durch ihre Reaktion noch mehr «Öl ins Feuer giessen».

Was sind die besten Verhaltensweisen gegen einen Shitstorm?

Ist eine Organisation oder eine Einzelperson in einen Shitstorm geraten, heisst es: «Haltung bewahren! »

Während des «Sturms» sollten folgende Grundsätze beachtet werden:

  • Ruhe bewahren und die Situation angemessen bewerten. Zuhören ist wichtig.
  • Schnell antworten und mitteilen, wann die nächsten Informationen erwartet werden dürfen.
  • Deeskalierende, authentische und glaubwürdige Botschaften senden.
  • Positive Argumente zum Thema platzieren.
  • Massvolle Offenheit an den Tag legen und rasch Transparenz schaffen.
  • Engagement und verantwortungsbewusste Unternehmensführung demonstrieren.

Patrick Suppiger ist Präsident des Schweizer Verbands für Krisenkommunikation.

Im Januar zog die Kleidermarke H&M, ein T-Shirt mit dem Aufdruck «Coolest Monkey in the Jungle» zurück, das zu werbezwecken von einem dunkelhäutigen Kindermodell getragen wurde. Als das Internet Sturm lief, entschuldigte sich der Konzern in aller Form. Das T-Shirt ist mittlerweile nicht mehr erhältlich.

Auch Schweizer Unternehmen betroffen

Einer der bekanntesten Shitstorms geht auf die Initiative der Umweltschutz-Organisation Greenpeace zurück. Diese kritisierte 2010, dass eine grosse Menge Palmöl zur Produktion von Nestlés KitKat verwendet werde. Dabei würden wichtige Lebensräume von Orang-Utans zerstört. Greenpeace startete ihre Kampagne mit einem abschreckenden Anti-Nestlé-Video auf YouTube.

In der Folge gelang es dem Schweizer Nahrungsmittelkonzern mit juristischen Mitteln die Greenpeace-Kampagne zu stoppen. Der Konzern aber erreichte damit genau das Gegenteil. Das Video verbreitete sich noch rasanter auf den unterschiedlichsten Internet-Plattformen. Letztlich musste der Konzern versprechen, mit NGOs zusammenzuarbeiten und nur noch Rohstoffe aus nachhaltiger Produktion zu verwenden.

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