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«Showdown» bei der WHO Machtpolitik statt Gesundheitspolitik

Was eine Routineveranstaltung sein sollte, könnte «High Noon» bedeuten: die jährliche Weltgesundheitskonferenz in Genf.

Die Rede ist bereits von einem veritablen «Showdown». Dabei beginnt heute Montagmittag im Grunde eine Routineveranstaltung: die jährliche Weltgesundheitskonferenz, also das Treffen der 194 Mitgliedsländer der UNO-Weltgesundheitsorganisation WHO. Doch wegen der weltweiten Coronakrise liegen in manchen Hauptstädten die Nerven blank, und es wird mit heftigem politischem Streit gerechnet.

Aus Sicht der WHO müsste die Weltgesundheitskonferenz in den kommenden beiden Tagen zweierlei erreichen: Erstens die Stärkung des Gesundheitswesens in jenen Ländern, hauptsächlich in der Dritten Welt, die vom Coronavirus erst jetzt erfasst werden. «Gemeinsam müssen wir es fertigbringen, überall stärkere Gesundheitssysteme zu schaffen», fordert WHO-Generaldirektor Tedros Ghebreyesus. Zweitens sei sicherzustellen, dass ein Corona-Impfstoff günstig und nach gerechten Kriterien weltweit zur Verfügung gestellt wird, sofern und sobald es ihn denn gibt.

China gegen Taiwan…

Tatsächlich dürfte die Debatte über diese beiden Themen völlig überlagert werden von politischem Streit. Anfangen wird er bereits, wenn eine Resolution zahlreicher Kleinstaaten zur Sprache kommt, die weiterhin diplomatische Beziehungen zu Taiwan pflegen: Von Haiti über Honduras bis Tuvalu oder Saint-Lucia. Sie fordern, unterstützt von den USA und EU-Ländern, dass Taiwan zumindest wieder als Beobachter bei der WHO zugelassen wird – zumal man vom demokratischen Inselstaat in Sachen Corona viel lernen könnte.

China und seine Verbündeten, hauptsächlich Länder in Afrika, wollen das unbedingt verhindern. Peking tut alles, damit Taiwan nirgends als souveräner Staat auftreten kann. Verhindern will China ebenfalls eine rasche, unabhängige Untersuchung über den Ausbruch des Coronavirus Ende 2019 und seinen eigenen Umgang damit.

...und USA gegen WHO

Auf politisches Powerplay setzen aber auch die USA, welche die WHO als China-hörig kritisieren. Präsident Donald Trump drohte zunächst mit der Streichung sämtlicher US-Beiträge an die UNO-Organisation für Gesundheit.

Inzwischen krebst er etwas zurück und plant, künftig bloss noch so viel zu bezahlen wie China, also weitaus weniger als bisher. Mit dem finanziellen Rückzug fördert allerdings Trump genau das, was er eigentlich verhindern möchte: Dass nämlich China in der WHO – wie in anderen UNO-Organisationen, zu denen die USA auf Distanz gingen – mehr, statt weniger Einfluss erhält.

Ausserdem wollen die USA, dass ein Corona-Impfstoff zunächst ihren Bürgern zur Verfügung stünde. Eine Bevorzugung der USA, von der jüngst etwa der Chef des Pharmaherstellers Sanofi sprach, entspräche jedoch genau dem Gegenteil einer fairen, gerechten Verteilung, wie sie die WHO anstrebt.

Man befürchtet Schlimmes

Bei der WHO selber ist man besorgt, dass die Weltgesundheitskonferenz ausgerechnet in dieser gesundheitspolitischen Notlage aus dem Ruder läuft. Dort heisst es, man wisse schlicht nicht, was auf der wichtigen, wegen Corona auf zwei Tage verkürzten Weltgesundheitskonferenz passieren werde.

Denn das würden die Mitgliedstaaten entscheiden. Offenbar befürchtet man Schlimmes. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass das WHO-Jahrestreffen zum neuen Schauplatz des Machtkampfs zwischen den USA und China wird.

SRF 4 News, Heute Morgen, 18.05.2020, 06:00 Uhr

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