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Shutdown in Südostengland Neue Coronavirus-Mutation: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Wo wurde die Virus-Variante entdeckt? Die britische Regierung hat in Gemeinden vor allem im Süden Englands über 1000 Fälle der Virus-Mutation VUI2020/12/01 registriert. Aktuell seien laut der britischen Regierung 60 Prozent der Neuinfektionen in London und Umgebung auf die neue Virus-Mutation zurückzuführen. Auch in Südafrika wurde eine veränderte Variante entdeckt. Diese ist aber nicht identisch mit der aus Grossbritannien.

Wie ansteckend ist die Coronavirus-Mutation? Premierminister Boris Johnson warnt, dass die Variante VUI2020/12/01 um bis zu 70 Prozent ansteckender sein könnte als die bisher bekannte Form des neuen Coronavirus. Expertinnen und Experten weisen allerdings darauf hin, dass noch nicht stichhaltig sei, ob sich die Virus-Mutation in Südengland an sich, also aus eigenem Antrieb, rascher verbreite oder ob sie in einer Gegend, in der Sars-CoV-2 sowieso auf dem Vormarsch sei, einfach öfters festgestellt werde. Auch Superspreader-Events könnten Experten zufolge den Eindruck einer höheren Infektiosität erwecken.

Wie gefährlich ist die Virus-Variante? Die Virus-Mutation sei «ausser Kontrolle, und wir müssen sie wieder unter Kontrolle bekommen», sagte Gesundheitsminister Matt Hancock. Allerdings hatten er sowie Premier Johnson zuvor betont, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Krankheit schwerer verlaufe oder es mehr Todesfälle gebe. Laut Experten haben Mutationen von Viren in vielen Fällen keinen Einfluss darauf, wie leicht sich das Virus ausbreitet oder wie stark die Symptome der veranlassten Krankheit sind. So hält beispielsweise Andreas Bergthaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) in Wien die derzeitige Entwicklung nicht für «wahnsinnig alarmierend». Derzeit wisse man nicht, ob die beobachteten Veränderungen die Eigenschaften des Erregers überhaupt entscheidend verändern.

Nützen Medikamente und Impfstoffe? Laut Premier Johnson helfen die Impfstoffe auch gegen die neue Corona-Mutation. Und auch der leitende wissenschaftliche Berater Grossbritanniens, Patrick Vallance, sagte, Covid-19-Impfstoffe schienen geeignet zu sein, um eine Immunantwort gegen die Variante des Coronavirus zu erzeugen. Denselben Eindruck hat Chris Smith, Virologe an der Universität Cambridge: «Das Virus hat sich nicht stark genug geändert, um ausserhalb der Reichweite der neuen Impfstoffe zu liegen.» Und schliesslich sieht in Sachen Impfung auch Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel «keinen Grund für Alarm».

Das Virus hat sich nicht stark genug geändert, um ausserhalb der Reichweite der neuen Impfstoffe zu liegen
Autor: Chris Smith Virologe der Universität Cambridge

Was passiert in Grossbritannien? Die britische Regierung hat die WHO schon vor Tagen über die Entdeckung der Virus-Mutation informiert. Wegen derer raschen Ausbreitung gilt in London und anderen Gegenden in Südostengland seit heute Sonntag wieder ein harter Shutdown mit Ausgangssperren. Insgesamt sind etwa 16.4 Millionen Menschen von den Verschärfungen betroffen, knapp ein Drittel der Bevölkerung von England. Selbst über Weihnachten dürfen sie keine Mitglieder anderer Haushalte treffen. Nach Bekanntgabe am Samstagabend machten sich zahlreiche Menschen spontan auf den Weg, um aus London abzureisen. Fotos und Videos zeigten volle Bahnhöfe.

Wie reagiert die Schweiz? Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) stellt wegen der neuen Coronavirus-Mutation in Grossbritannien und Südafrika die Flugverkehrs-Verbindungen per Sonntagmitternacht ein. Mit dem Flugverbot solle eine weitere Ausbreitung der neuen Virus-Variante verhindert werden. Das Bazl informierte am Abend die betroffenen Flughäfen und Airlines sowie die Geschäftsluftfahrt über die Sofortmassnahme.

Gibt es die Virus-Variante auch in der Schweiz? In der Schweiz ist die neue Mutation bisher nicht entdeckt worden. Allerdings stammten die neusten Genomanalysen vom 19. November und umfassten nur eine kleine Auswahl an Covid-Patienten, wie die Basler Epidemiologin Emma Hodcroft auf Twitter schreibt.

Die Taskforce des Bundes geht davon aus, «dass die Variante schon in kleiner Zahl hier ist».

Was erlassen andere Staaten? Die Niederlande hat als erstes Land ein Einreiseverbot für Flugpassagiere aus Grossbritannien verhängt. Nach den Niederlanden schränkten auch mehrere weitere europäische Länder den Flugverkehr mit Grossbritannien weitgehend ein – unter anderem Belgien, Italien, Deutschland, Frankreich, Irland, Tschechien, Bulgarien und Österreich.

Nach Angaben des deutschen Coronavirus-Experten Christian Drosten ist die neue Coronavirus-Variante in Deutschland bisher nicht aufgetaucht. Auch betont er, dass die hohe Verbreitung des Virus in England Zufall sein könne.

Was rät die WHO? Wie die Weltgesundheitsorganisation auf Twitter mitteilt, steht sie mit Grossbritannien in engem Austausch. Informationen und Ergebnisse würden laufend geteilt. «Wir werden die Mitgliedstaaten und die Öffentlichkeit auf dem Laufenden halten, sobald wir mehr über die Merkmale dieser Virus-Variante und deren Auswirkungen erfahren», betont die WHO. Derweil rät sie, weiter alle Schutzmassnahmen zu ergreifen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.

SRF 4 News, Tagesschau, 20.12.2020, 00.00 Uhr ; 

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