Nachdem gut drei Viertel der Stimmen ausgezählt sind, ist absehbar, dass der African National Congress (ANC) die Wahl gewonnen hat. Aber Grund zum Feiern gibt es nicht. Was die Regierungspartei zur Stunde erlebt, ist kein Sieg, sondern die Verhinderung eines Totalschadens.
Nach 25 Jahren an der Macht startete der ANC seinen Wahlkampf auf einem Trümmerfeld: Stromausfälle, Armut, Korruption, ein marodes Bildungssystem und eine Arbeitslosenrate von rund 40 Prozent prägen den südafrikanischen Alltag.
Gewonnen hat Hoffnung auf Ramaphosa
Das Bild der hoffnungsvollen Regenbogennation am Kap der Guten Hoffnung hat bereits vor Jahren Risse bekommen. Die zunehmend schamlose Kleptokratie des ANC brachte das Land in den vergangenen Jahren aber definitiv an den Rand des wirtschaftlichen und politischen Abgrunds. Der ANC wurde zum Symbol für Misswirtschaft, Gier und Korruption.
Es ist deshalb nicht der ANC, der gewonnen hat, sondern die Hoffnung auf Präsident Cyril Ramaphosa. Dem ANC-Veteranen, früherer Weggefährte von Nelson Mandela und ehemaliger Unternehmer, wird die Fähigkeit zugesprochen, die verdorbene Partei zu säubern und die beschädigten Institutionen wiederaufzubauen.
ANC-Mitgliedschaft als Freifahrtschein
Doch Ramaphosa ist kein Zauberer. Er steht vor einer potenziell unüberwindbaren Aufgabe. Gut ein Jahr nach dem erzwungenen Rücktritt von Jacob Zuma ist er heute immer noch damit beschäftigt, dessen Trümmerhaufen systematischer Staatsplünderung zusammenzukehren.
Denn es war nicht Zuma allein, der den Staat als Selbstbedienungsladen benutzte. Die Möglichkeit, den Staat zu plündern, war für viele der eigentliche Grund einer ANC-Mitgliedschaft. Diese Leute sind immer noch da, und sie sind wenig an einer Säuberung interessiert. Zumas Gefolgsleute wollen weder ins Gefängnis noch von den Futtertrögen des Staates entfernt werden.
Ramaphosas grösste Herausforderung sind deshalb nicht Armut und Arbeitslosigkeit, sondern die moralische Fäulnis in der eigenen Partei.