Zum Inhalt springen

Spektakulärer Brexit-Tag Die letzte Schlacht im Nervenkrieg?

Kaum ein Tag vergeht ohne wenigstens eine spektakuläre Wendung im Brexit-Drama. Gerade noch schien ein ungeordneter Austritt Grossbritanniens aus der EU, ein No-Deal-Brexit, beinahe ausgeschlossen – nun steht er auf der Liste der wahrscheinlichsten Szenarien wieder ziemlich weit oben. Denn die EU hat den Druck auf die chaotisch agierenden britischen Politiker noch einmal massiv erhöht.

Was ist passiert? Die britische Premierministerin Theresa May hat in einem Schreiben an EU-Ratspräsident Donald Tusk eine Verschiebung des Brexits vom 29. März auf den 30. Juni beantragt. Zumal das Parlament in London Mays Scheidungsabkommen mit der EU ablehnt, aber auch einen No-Deal-Brexit ohne Abkommen.

Die EU sieht sich am längeren Hebel

Die Antwort von Donald Tusk kam postwendend: Einer Verschiebung um einige Monate werde die EU wohl zustimmen – aber nur, wenn das britische Parlament bis zum planmässigen Brexit-Tag, dem 29. März, doch noch ja sagt zum verhassten Scheidungsabkommen. Auf diese Ansage dürften sich die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Staaten einigen, wenn sie sich morgen an einem Brexit-Gipfel in Brüssel treffen.

Im Nervenkrieg steht also die vielleicht letzte Schlacht an: Die EU sieht sich am längeren Hebel und hofft, mit genügend Druck die Briten doch noch zum Einlenken zwingen zu können. Sie hofft, dass die Briten Anfang oder vielleicht auch erst Ende kommender Woche dem Abkommen – in allerletzter Minute – doch noch zustimmen. Aus schierer Angst vor dem Worst-Case-Szenario, einem Brexit ohne Abkommen und mit unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen.

Offen bleibt freilich, was die EU tun wird, wenn die britischen Parlamentarier bei ihrem Nein bleiben – wonach es im Moment aussieht. Wird die EU ihrerseits wirklich einen No-Deal-Brexit in Kauf nehmen? Oder überwiegt dann auch auf Seiten der EU-Staaten die Angst vor einem Brexit-Chaos? Wird sie – ebenfalls in allerletzter Minute – einer Brexit-Verlängerung doch noch zustimmen, obwohl ein Deal nach wie vor in weiter Ferne scheint?

Spektakuläre Wendungen werden wir wohl auch noch in den nächsten neun Tagen sehen – vielleicht bis zum Brexit-Tag, dem 29. März, um Mitternacht.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Hier finden Sie weitere Artikel von Sebastian Ramspeck und Informationen zu seiner Person.

Sendebezug: Tagesschau, 20. März, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel