Zum Inhalt springen

Streit um Mauerbau in den USA Vom Shutdown zum Notstand?

Washington kommt nicht zu Ruhe. Dabei funktionierte der sonst zerstrittene Kongress für einmal wie am Schnürchen. Er arbeitete innerhalb nützlicher Frist eine taugliche Kompromissvorlage aus und beschloss mit grosser Mehrheit ein Haushaltsgesetz, das einen erneuten Shutdown für den Rest des Jahres abwendet.

Gut, die Minne kehrte nur nach der Erfahrung eines sinnlosen 35-tägigen Regierungsstillstands ein. Aber immerhin besannen sich die Herren und Damen Abgeordneten nun auf ihre eigentliche Aufgabe: Gesetze zu schreiben und Geld zu sprechen.

Ein fragwürdiges Manöver

Nur einer scheint mit dem Kompromiss nicht leben zu können: Präsident Donald Trump. Er überlegt sich deshalb ein rechtlich und politisch fragwürdiges Manöver: Den Griff zum Notrecht.

Wenn er heute den nationalen Notstand an der Südgrenze ausruft, dann schafft er einen Präzedenzfall, den die Republikaner noch bereuen könnten. Es kursiert in republikanischen Kreisen schon länger die Phantasie, ein zukünftiger Demokrat oder eine Demokratin im Weissen Haus könnte den Klimawandel zum Notstand ausrufen, ganz nach Vorbild von Präsident Trump.

Nicht zu reden von den Rechtsklagen, die hageln werden, wenn die Exekutive in Schatullen greift, die für andere Zwecke bestimmt sind – durch den Kongress.

Gewiss, der «National Emergencies Act» von 1976 gibt dem Präsidenten einen Freipass, wenn es darum geht, einen nationalen Notstand zu definieren. Aber noch kein Präsident hat das Gesetz für innenpolitische Vorhaben – und notabene – Wahlversprechen angewendet. Naturkatastrophen oder Sanktionen gegenüber anderen Ländern waren bisher übliche Szenarien.

Demokraten haben Trump in der Hand

Präsident Trump sieht die Immigration an der Südgrenze als nationalen Notstand, eine Immigration, die in der Tat wieder im Steigen begriffen ist, aber vor allem wegen den vielen Asylgesuchen aus Zentralamerika.

Präsident Trump will seine Mauer bauen, weil sie sein hochheiligstes Versprechen ist an seine Wählerschaft. Bloss fragt sich, warum er vor einem Jahr nicht einen «Deal» machte, als beide Kammern im Kongress noch eine republikanische Mehrheit hatten.

Er mochte damals den Demokraten den kleinen Finger nicht gönnen, jetzt haben sie ihn punkto Immigration in der Hand. Darum greift er nun – höchstwahrscheinlich – zum Notstandshammer. Der selbsternannte «Dealmaker» hat sich politisch für einmal verrechnet.

Isabelle Jacobi

USA-Korrespondentin, SRF

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Nach dem Studium in den USA und in Bern arbeitete Jacobi von 1999 bis 2005 bei Radio SRF. Danach war sie in New York als freie Journalistin tätig. 2008 kehrte sie zu SRF zurück, als Produzentin beim Echo der Zeit, und wurde 2012 Redaktionsleiterin. Seit Sommer 2017 ist Jacobi USA-Korrespondentin in Washington.

Meistgelesene Artikel