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Sündenböcke in der Türkei Unmut gegen syrische Flüchtlinge wächst

Ausgelassene Silvesterfeiern von Syrern in Istanbul haben die ohnehin schon aufgeheizte Stimmung in der Bevölkerung weiter angefacht.

Die Neujahrsfeiern auf dem Taksim-Platz im Herzen von Istanbul verliefen etwas anders als sonst. Junge Männer aus Syrien schwenkten Rebellenfahnen und liessen ihr Heimatland hochleben. «Surya, Surya!», riefen sie. Ein Videoclip der Szene, von einem empörten Türken hochgeladen, wurde viele Tausende Male geteilt, versehen mit dem Hashtag: «Ich will keine Syrer in meinem Land.»

Dazu kam noch die Meldung, ein Syrer habe in der Neujahrsnacht am Taksim-Platz zwei Frauen belästigt. Nun kocht die Volksseele. Dieser Kommentar eines nationalistischen Kolumnisten wurde zehntausendfach geliked: «Ihr habt kein Recht, hier eure Fahnen zu schwenken. Macht das gefälligst in Syrien. Unsere Soldaten kämpfen in eurem Land, und ihr pfeift hier unseren Mädchen nach!»

Zwei von drei Türken sehen Syrer als Bedrohung

Gegenwind für diese Haltung gibt es im Netz natürlich auch, unter dem Hashtag: «Ich will keine Rassisten in meinem Land». Doch solche Ansichten sind in der Minderheit, wie eine Studie der Istanbuler Bilgi Universität ergab.

Wir haben kein Verständnis dafür, wenn einer vor dem Krieg in seinem Land flieht.
Autor: Orhan Heizungsmonteur

Demnach sind zwei von drei Türken davon überzeugt, dass Syrer ihnen die Jobs wegnehmen, dass sie kriminell sind, und dass sie die moralischen Werte der Türkei gefährden. Nur 13 Prozent sehen sie als Bereicherung für ihr Land. Am Tag nach den Feiern sind die Polizeisperren am Taksim weggeräumt. Für die Anlieger ist die Sache aber noch nicht erledigt. Der Unmut schwelt weiter.

«Die sollen in ihr eigenes Land zurückkehren»

Etwa bei der Maklerin Celin: «Wir wollen die Syrer hier nicht. Die sollen in ihr eigenes Land zurückgehen. Unsere Soldaten kämpfen dort und die amüsieren sich hier. Sollen sie doch zurückgehen und selbst kämpfen.» Oder bei Orhan, einem Heizungsmonteur: «Wir haben kein Verständnis dafür, wenn einer vor dem Krieg in seinem Land flieht. Bei uns heisst es, Vaterland oder Tod.»

Die Syrer dienen als Sündenbock. Die steigenden Mieten werden ihnen angelastet, die fallenden Löhne und die Arbeitslosigkeit.
Autor: Dogus Simsek Soziologin

Die Migrationsforscherin Dogus Simsek mag diese Parolen nicht mehr hören. Beim oppositionellen Media Scope TV, das wegen der Zensur im Internet sendet, spricht sie von Alltagsrassismus: «Die Syrer dienen als Sündenbock. Die steigenden Mieten werden ihnen angelastet, die fallenden Löhne und die Arbeitslosigkeit.» Grössere Transparenz seitens der Politik wäre wichtig, um die Gesellschaft besser darüber aufzuklären, welche Rechte und Pflichten Syrer haben: «Denn Unwissen und Fehlinformationen fachen den Rassismus an.»

Erdogan verspricht, in Syrien «aufzuräumen»

Die Regierung hat ein anderes Rezept. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will die Syrer in ihr Land zurückschicken. So versprach er es seinen Wählern in der grenznahen Stadt Gaziantep drei Tage vor seiner Wiederwahl im Juni.

«Schritt für Schritt machen wir Syrien zu einem sicheren Land, damit unsere syrischen Brüder in ihre Heimat zurückkehren können. Hunderttausende sind bereits zurückgekehrt. Wenn wir nach Afrin auch in Manbidsch aufgeräumt haben, werden noch viel mehr Syrer zurückkehren», sagte Erdogan.

Im März stehen Kommunalwahlen an in der Türkei. Mit einer Militärintervention in Manbidsch will Ankara noch vorher weitere Schutzzonen im Nachbarland schaffen, um syrische Flüchtlinge dorthin zu schicken. Experten sehen darin keine Lösung. Die wenigsten würden nach Syrien zurückkehren, glaubt das Zentrum für Migrationsstudien der deutsch-türkischen Universität in Istanbul. Und schon jetzt werden täglich 400 syrische Kinder in der Türkei geboren.

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