Es ist Pausenzeit im Thamavitya Gymnasium. Eine Gruppe 16-Jähriger sitzt auf dem Schulhof. Die Mädchen tragen lange weisse Kopftücher und lose, schwarze Gewänder. Untereinander sprechen sie Yawi, eine Dialektform von Malaysisch.
«Wir fühlen uns als muslimische Malaien, haben aber einen thailändischen Pass. Wir wollen unseren eigenen Staat, nur dann können wir ein wirklich islamisches Leben leben nach der Scharia, dem islamischen Recht und unsere Sprache sprechen», sagen die Mädchen.
4000 Mädchen und 2000 Knaben gehen ins Thamavitya Gymnasium in der Stadt Yala der gleichnamigen Südprovinz. Es ist eines der besten Gymnasien in den mehrheitlich muslimischen Gebieten Südthailands.
Morgens Thai, nachmittags Malaysisch und Arabisch
Das offizielle Schulprogramm am Morgen wird auf Anweisung der Zentralregierung auf Thailändisch vermittelt. Am Nachmittag werden die Schülerinnen und Schüler auf Malaysisch und Arabisch in islamischen Fächern unterrichtet.
Für Schulleiter Abdulrahman Tupa ist das seine friedliche Form des Widerstands, denn auch seine Schule bleibe vom Konflikt nicht verschont. Soldaten durchsuchten manchmal die Schule, weil sie versteckte Separatisten vermuteten, berichtet er und ergänzt: «Zehn unserer Lehrer sind bereits im Konflikt erschossen worden.»
Ich lehre den Schülerinnen und Schülern ihre Sprache und ihre Religion, damit ihre Identität von Bangkok nicht ausgelöscht wird.
Der Schnitt vor über hundert Jahren
1909 wurden die drei südlichen Provinzen an der Grenze zu Malaysia im Britisch-Siamesischen Staatsvertrag zum mehrheitlich buddhistischen Thailand geschlagen. Obwohl in diesen Gebieten mehr als 80 Prozent der Bevölkerung Yavi sprechende malaiische Muslime sind, wurde Thailändisch als Amts- und Schulsprache eingeführt und die Scharia, das islamische Rechtssystem, abgeschafft.
Diese Assimilierungsversuche führten im einstigen Sultanat zu Widerstand in der Bevölkerung – zuerst friedlichem und bald auch bewaffnetem.
Ein grosser Vordenker, der verschwand
In der kleinen Moschee der Hajji Sulong Stiftung ruft der Muezzin zum Mittagsgebet. Hajji Sulong war ein viel beachteter islamischer Gelehrter der Südprovinz Pattani. Seine sieben Forderungen an die Zentralregierung in Bangkok dienen den Separatisten bis heute als ideologische Basis. Dazu gehörte, dass Yawi Amts- und Schulsprache wird, 80 Prozent der Verwaltung aus Muslimen bestehen soll und islamische Gerichte wieder zugelassen werden.
Hajji Sulongs Forderungen wurden bis heute nicht erfüllt, doch Gültigkeit hätten sie noch immer, sagt sein Enkel: «Für mich ist es nicht wichtig, ob wir unser eigenes Land haben oder nicht. Wichtig ist, dass wir über die Wirtschaft, die Bildung, unsere Identität und unsere eigenen politischen Führer bestimmen könnten. Nur so sind wir frei.»
Tausende Tote – und ein Hoffnungsschimmer
Doch statt den Muslimen mehr Autonomierechte zuzugestehen, schickte die Zentralregierung die Armee in den Süden und verhängte das Kriegsrecht. Seit der Konflikt vor 16 Jahren erneut entflammte, starben mehr als 7000 Menschen.
Diese Woche setzten sich die Konfliktparteien nach langem wieder zu Friedensverhandlungen an einen Tisch. Das stimmt auch Hajji Sulongs Enkel hoffnungsvoll: «Sprechen ist besser als kämpfen», sagt er. Nur eine politische Lösung könne im Süden von Thailand Frieden bringen. Doch das könnte noch Jahre oder Jahrzehnte dauern, glaubt der Muslim.