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Trumps Begnadigungen Wenn Gnade zum Himmel stinkt

Präsident Trump erlässt die Strafen für die Schützen des Massakers von Bagdad. Ein Affront mit heikler Signalwirkung.

Es muss grauenvoll gewesen sein: Im November 2007 ballerten US-Söldner der Sicherheitsfirma Blackwater an einer Kreuzung in Bagdad auf Zivilisten ein. 14 von ihnen, darunter zwei Kinder, starben im Kugelhagel. Am Dienstag nun hob Präsident Trump die Urteile gegen die Täter auf.

Über den genauen Hergang der damaligen Ereignisse gibt es unterschiedliche Schilderungen. Die amerikanischen Privatsoldaten behaupten, sie seien angegriffen worden und hätten aus Selbstschutz gehandelt. Zeugen des Vorfalls widersprechen dieser Schilderung. Jahrelange Untersuchungen stützten die irakischen Zeugenaussagen.

Zeichen an die Welt

Unabhängig vom Ursprung des Vorfalls: Es war ein Verbrechen, unbewaffnete Zivilisten zu töten. Vielen der Opfer hatten die Täter in den Rücken geschossen – sie waren auf der Flucht. Die Urteile gegen die vier US-Söldner galten eigentlich als wichtiges Zeichen an den Irak und die Weltgemeinschaft, dass die USA illegale Aktionen ihrer Soldaten und Söldner nicht tolerieren.

Kritiker vermuten, dass persönliche und politische Verbindungen bei den Begnadigungen eine Rolle spielen. Blackwater-Gründer Erik Prince gilt als spendabler Unterstützer konservativer Anliegen und ist mit Trump gut vernetzt. Er ist auch der Bruder von Trumps Bildungsministerin Betsy DeVos.

Umstrittenes Machtmittel

Trump ist nicht der erste US-Präsident, der seine Macht für zweifelhafte Begnadigungen nutzt. Bill Clintons Straferlass für den Steuerflüchtling Marc Rich sorgte ebenso für Kritik wie anno 1974 die Nachsicht von Präsident Gerald Ford für seinen Vorgänger Richard Nixon, der wegen des Watergate-Skandals zurückgetreten war.

Doch kein Präsident der jüngeren Geschichte hat die Option, die ihm die Verfassung einräumt, so skrupellos ausgenutzt wie jetzt Donald Trump. Derweil warten Tausende Menschen in den USA, die gut begründete Ansprüche auf eine Begnadigung hätten, seit Jahren vergeblich auf eine Entscheidung.

Auch andere Begnadigungen, die Trump in den letzten zwei Tagen ausgesprochen hat, zeigen auf, wie wenig Respekt der Noch-Präsident vor dem Rechtsstaat hat. Zum Handkuss kommen Paul Manafort und weitere wichtige Figuren der Russland-Affäre, darunter zwei Männer, die im Zuge der Untersuchung beim Lügen ertappt worden waren.

Damit liefert Trump künftigen Präsidenten eine Vorlage, wie man sich unliebsame Untersuchungen vom Leib halten kann. Das US-Justizsystem beruht darauf, dass Mittäter durch Anreize – beispielsweise eine Strafreduktion – zum Reden gebracht werden. Spielt ein Präsident mit der Begnadigungskarte, fehlt dieser Anreiz, weil ohnehin der Straferlass winkt.

Weitere Begnadigungen

Und es dürften längst nicht die letzten umstrittenen Begnadigungen gewesen sein. Mögliche Kandidaten sind Trumps älteste drei Kinder, Schwiegersohn Jared Kushner und sein Anwalt Rudy Giuliani. Vielleicht wird Trump auch sich selbst vorsorglich begnadigen, was vor Gericht allerdings einen schweren Stand hätte.

Gut möglich, dass die Demokraten die eine oder andere Begnadigung nachträglich auf allfällige korrupte Motive untersuchen werden. Derweil zählen Trumps Kritiker bang die Stunden und Tage bis zur Amtsübergabe, begleitet von der Sorge, dass Trump bis dahin noch einigen Schaden an der US-Demokratie anrichten dürfte.

Thomas von Grünigen

USA-Korrespondent, SRF

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Thomas von Grünigen ist seit Januar 2015 SRF-Korrespondent in New York. Zuvor arbeitete er in der «Rundschau»-Redaktion von SRF. Seine ersten Schritte im Journalismus machte er beim US-Sender ABC News und beim Lokalsender TeleBärn. Er hat an den Universitäten Freiburg und Bern sowie an der American University in Washington DC Medienwissenschaft, Journalistik und Anglistik studiert.

Tagesschau, 23.12.2020, 19:30 Uhr

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