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Trumps Golan-Ankündigung Ein Schuss ins eigene Knie

Wenn es in der Aussenpolitik des aktuellen US-Präsidenten eine Konstante gibt, dann ist es die Unberechenbarkeit. Donald Trump sieht das sogar als Stärke.

In erster Linie ist Trumps jüngste Ankündigung, den von Israel besetzten, aber eigentlich syrischen Golan als israelisches Territorium anzuerkennen, Wiederwahlhilfe für den rechten israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Militärisch-strategisch ändert sich vor Ort damit rein gar nichts. Weder gibt es ernsthafte syrische Versuche, den Golan militärisch zurückzuerobern, noch laufen irgendwelche Verhandlungen über eine Rückgabe. So oder so dürfte der Golan also noch für sehr lange Zeit israelisch kontrolliert bleiben.

Verstoss gegen Völkerrecht

Diplomatisch hingegen ist Trumps Tweet eine Bombe. Ausgerechnet die Supermacht USA würde sich mit der Anerkennung in eklatanter Weise gegen das Völkerrecht stellen. Selbst die US-Alliierten müssen nun zähneknirschend all jenen Regierungen, die Recht und Rechtsstaatlichkeit nicht eben hochhalten, Recht geben, wenn sie unisono den amerikanischen Kurswechsel in der Golanfrage als völkerrechtswidrig geisseln: Syrien, Russland, Iran, die Türkei …

Die territoriale Unversehrtheit ist im Völkerrecht ein hohes Gut. Sie ist in der Uno-Charta verbrieft. Und die syrischen Besitzansprüche auf den Golan wurden in mehreren Uno-Resolutionen – auch von den USA – bekräftigt.

Verhältnis zu US-Partnern wird belastet

Trump mag also mit der Kehrtwende in Sachen Golan Netanjahu helfen. Vor allem aber schadet er seinem eigenen Land.

Er belastet das Verhältnis selbst zu jenen arabischen Staaten, die den USA noch gewogen sind: den Golfstaaten, Jordanien, Ägypten. Selbst sie können keinesfalls akzeptieren, dass nach US-Lesart arabischer Boden plötzlich als israelischer gelten soll.

Der US-Präsident eilt mit seiner Äusserung auch Syriens Diktator Baschar al-Assad zu Hilfe. Dieser kann mit der jetzt wieder hochkochenden Golanfrage trefflich ablenken von seinen Menschen- und Kriegsvölkerrechtsverletzungen.

Glaubwürdigkeit verspielt

Das Weisse Haus nimmt sich zudem aus dem Spiel als Mittler in nahöstlichen Konflikten, vor allem im israelisch-palästinensischen. Wer will nun noch den von Trumps Schwiegersohn vorbereiteten, aber noch immer nicht vorgestellten Friedensplan für den Palästinakonflikt kennenlernen? Die USA haben aufgrund ihrer totalen Einseitigkeit jegliche Glaubwürdigkeit verspielt.

Und ganz wichtig: Mit welcher moralischen Autorität will Washington in Zukunft die Rückgabe der Krim durch Russland an die Ukraine fordern? Oder den Chinesen verwehren, mit kleinen, aber konsequenten und vor allem völkerrechtswidrigen Schritten das ganze südchinesische Meer zu chinesischem Hoheitsgewässer zu machen?

Trump erreicht also vor allem eines: Er macht die Supermacht USA kleiner, als sie sein könnte. Und trägt so kräftig bei zum ohnehin stattfindenden Gewichtsverlust der Supermacht und des Westens insgesamt in der Welt.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

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