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Trumps Nahostpolitik «Die Anerkennung Jerusalems ist ein sehr bewegender Moment»

Weil die USA unter der Führung des ehemaligen Präsidenten Barack Obama die Siedlungspolitik Tel Avivs kritisierten und darüber hinaus gegen den Willen Israels ein Atomabkommen mit Iran schlossen, kühlte das amerikanisch-israelische Verhältnis in den vergangenen Jahren zusehends ab.

Damit scheint jetzt Schluss zu sein. Das politische Tauwetter zwischen den beiden befreundeten Staaten war in den vergangenen Monaten deutlich zu spüren und erreichte letzten Dezember seinen Höhepunkt: Damals anerkannte der neu gewählte US-Präsident Donald Trump in einer weit beachteten Rede Jerusalem als Hauptstadt Israels.

Während die Regierung um Israels Premierminister Benjamin Netanjahu die Erklärung begrüsste, ging eine Welle der Empörung durch die Palästinensergebiete und die muslimische Welt. So erklärte Mahmud Abbas den Friedensprozess jüngst für gescheitert.

Nun sind Israels Premierminister wie auch der Oppositionsführer nach Davos an das World Economic Forum gereist. Dort wird Netanjahu den US-Präsidenten Donald Trump zu einem Vieraugengespräch treffen.

Vor diesem Termin erklärt Oppositionsführer Jitzchak Herzog, was die Jerusalem-Entscheidung für Israel bedeutet und wie es seiner Ansicht nach mit dem Friedensprozess im Nahen Osten weitergehen soll. Darüber hinaus verteidigt Herzog die harte Haltung der USA gegenüber Iran und dem geschlossenen Nuklearabkommen.

SRF News: Jitzchak Herzog, wie glücklich macht Sie die Entscheidung der USA, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen?

Jitzchak Herzog: Für einen Israeli, der mit dem Glauben aufgewachsen ist, dass Jerusalem die legitime Hauptstadt Israels darstellt, war die Anerkennung ein sehr bewegender Moment. Während 70 Jahren hat unsere Regierung und das Parlament, die Knesset, ihren Sitz in Jerusalem und ausserdem haben alle Regierungschefs dieser Welt bei ihrer Israel-Reise die Stadt besucht.

Die Situation kommt mir so vor, wie wenn sich ein Mann eine Mätresse halten würde.

Es kommt mir so vor, wie wenn sich ein Mann eine Mätresse halten würde. Die ganze Welt weiss davon – nur will es niemand wahrhaben. Es ist Zeit, diesem Unsinn ein Ende zu bereiten. Jerusalem ist Israels Hauptstadt. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass der Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten ein wichtiger Nachsatz beiliegt. So müssten die Grenzen der israelischen Souveränität über die Jerusalem-Frage hinaus in einem Friedensprozess neu definiert werden. Diese Erklärung relativiert die negativen Gefühle der internationalen Gemeinschaft, Trump habe unilateral eine Entscheidung gefällt.

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Legende: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Präsident verbindet politische Nähe und eine Freundschaft. Keystone

Doch angesichts der Reaktionen in der muslimischen Welt war diese Erklärung nicht wirklich hilfreich.

Der Friedensprozess im Nahen Osten ist tatsächlich an einem toten Punkt angelangt. Nichtsdestotrotz hat Donald Trump klargemacht, dass er einen Friedensvertrag zwischen Israel und den Palästinensern anstrebt – und zwar einen endgültigen. Seine Administration wird dafür Rahmenbedingungen erarbeiten, unter denen Friedensverhandlungen stattfinden sollen. Wenn Sie mich fragen, werden beide Seiten diese Eckpunkte hassen. Doch genau diese Gemeinsamkeit wird der Grundstein dafür sein, warum ein zukünftiger Friedensvertrag halten wird. Fatah-Chef Mahmud Abbas hat diese Entwicklung erkannt und missbraucht deshalb die Jerusalem-Frage, um den Verhandlungstisch zu verlassen.

Oppositionsführer Isaac Herzog während seinem Besuch im Frühling 2015 an der Klagemauer.
Legende: Oppositionsführer Isaac Herzog während seinem Besuch im Frühling 2015 an der Klagemauer. Keystone

Aber niemand scheint diese Eckpunkte zu kennen.

Berichten zufolge sollen die USA beiden Seiten die entworfenen Eckpunkte bereits präsentiert haben. So wurde beispielsweise berichtet, dass sich ein ranghoher Palästinenser mit den Amerikanern getroffen habe – gemeinsam mit Saudiarabien oder einem dritten Golfstaat. Überdies stattete Mahmud Abbas in den letzten Wochen dem saudischen Kronprinzen einen Besuch ab, und dort sollen die Eckpfeiler der neuen Road Map diskutiert worden sein. Entweder missbrauchen die Palästinenser jetzt die Jerusalem-Frage, um vom Verhandlungstisch davonzulaufen oder es gibt objektive Gründe, sich dem Dialog zu verweigern. Beide Interpretationen sind möglich.

Wie sieht denn Ihr Vorschlag für einen neuen Friedensvertrag vor?

Schauen Sie, ich bin lediglich der Oppositionsführer der Knesset. Allerdings habe ich vor einigen Tagen im Parlament eine Rede gehalten und dort alle Seiten aufgefordert, zur Zweistaatenlösung zurückzukehren. US-Vizepräsident Mike Pence wohnte dieser Rede bei.

Ist Israel bereit, Konzessionen bei der Siedlungspolitik zu machen?

In dieser Angelegenheit müssen wir wissen, dass sich im Wesentlichen drei Hauptsiedlungen in der Westbank befinden. Diese machen ungefähr vier Prozent der gesamten Fläche des Territoriums aus und schliessen rund 85 Prozent aller Siedler mit ein. Dieses Gebiet könnte Israel zugesprochen werden, als Gegenleistung für andere Territorien.

Ich bin der Ansicht, dass wir die Siedlungsaktivitäten ausserhalb dieser angesprochenen Gebiete einfrieren sollten.

Ausserdem bin ich der Ansicht, dass wir die Siedlungsaktivitäten ausserhalb dieser angesprochenen Gebiete einfrieren sollten. Die Frage der Siedlungen ist nicht so einfach. Ich habe Mahmud Abbas einmal gefragt: ‹Wärst Du bereit Siedlungen aufzugeben, wenn diese unter palästinensischer Kontrolle stünden?› Er wollte mir diese Frage nicht beantworten und sagte mir nur, diesen Punkt erst bei der endgültigen Lösung ansprechen zu wollen.

Neben dem stockenden Friedensprozess sorgt sich Israel ebenfalls um den Iran. Wie beurteilen Sie das Nuklearabkommen?

Der Iran-Deal ist eine Realität. Es gibt einige Punkte des Deals, welche ich kritisiere – insbesondere deshalb, weil wir nicht wissen, wie es nach zehn Jahren weitergeht. Damit aber nicht genug: Das Abkommen wird es den Iranern zudem erlauben, weiterhin Terror in den gesamten Nahen und Mittleren Osten zu tragen. Deshalb erachte ich es als richtig, das Iran-Abkommen infrage zu stellen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die harte Haltung des US-Präsidenten zu einem besseren Nuklearabkommen führen wird.

Hat das Iran-Abkommen die Region und die Welt Ihrer Ansicht nach nicht sicherer gemacht?

Die Gefahr eines nuklearen Iran wurde lediglich für ein Jahrzehnt eingedämmt und eingefroren. Wenn ich mir dieses autoritäre Regime betrachte, welches mit Milliarden von Dollar den Terror in der Region finanziert, stelle ich mir in Bezug auf das Nuklearabkommen aber schon einige Fragen. Sie hätten hören sollen, wie der saudische Aussenminister Adel al-Dschubeir jüngst öffentlich ausführte, wie Iran die Region radikalisiert. Iran stellt die grösste Gefahr in der Region dar, weil das Regime Hass und Terror sät. Es versucht, aufrichtige Regierungen zu verdrängen. Sie finanzieren die Hamas, die Hisbollah, und Teile der Revolutionsgarde terrorisieren hunderttausende von Menschen in Syrien. Die Welt sieht das und schweigt. Warum? Wieso sollen wir angesichts dieser politischen Lage das Atomabkommen nicht infrage stellen dürfen?

Aber nicht alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union teilen Ihre Einschätzung, dass es sich bei Iran um ein Terrorregime handelt.

Es kommt einfach darauf an, wen Sie fragen. Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates haben Iran sehr wohl als Gefahr ausgemacht. Dennoch hüten sie sich davor, das Nuklearabkommen aufzukündigen.

Das Nuklearabkommen erlaubt es, Kontrollen des iranischen Atomprogramms durchzuführen. Wieso tun Sie das nicht, wenn Israel und die USA den Iranern misstrauen?

Das Abkommen erlaubt es, erst in zehn Jahren Kontrollen durchzuführen. Deshalb halte ich es für legitim, die Sorgen und Ängste Israels jetzt zu thematisieren.

Ich bin nicht davon überzeugt, dass Neuverhandlungen zu einem besseren Abkommen führen würden – wir müssen es aber versuchen.

Ich bin nicht davon überzeugt, dass Neuverhandlungen zu einem besseren Abkommen führen würden – wir müssen es aber versuchen. Premierminister Benjamin Netanjahu hat am WEF in Davos den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen – und ich bin mir sicher, dass Netanjahu bei dieser Gelegenheit die Besorgnis Israels in Bezug auf Iran zum Ausdruck gebracht hat. Diese diplomatischen Gespräche müssen jedoch auf eine klandestine Art und Weise erfolgen und dürfen nicht in der Öffentlichkeit stattfinden.

Premierminister Benjamin Netanjahu weht in Israel derweil ein eisiger Wind entgegen. Demonstranten fordern ihn im Zuge des Korruptionsskandals auf, zurückzutreten. Haben diese Menschen Recht?

Wir leben in einer offenen und vitalen Demokratie. In unserem Land finden ständig Proteste zu irgendwelchen politischen Themen statt. Ich kann nicht beurteilen, ob sich Benjamin Netanjahu der Korruption schuldig gemacht hat. Ich bin Oppositionsführer – nicht Polizist, nicht Staatsanwalt oder Richter. Die Ermittlungsbehörden werden einige Wochen brauchen, um ihre Schlüsse aus den Vorwürfen und den vorliegenden Beweisen zu ziehen. Es ist denkbar, dass letztlich das Oberste Gericht und der Generalstaatsanwalt über sein Schicksal entscheiden muss.

Unter dem Strich wird es wohl bis zu acht Monaten dauern, bis wir mehr wissen. Bis dahin halte ich an meiner Position fest: Wir müssen die Untersuchung des Korruptionsskandals den Strafverfolgungsbehörden überlassen – und wir dürfen nicht vergessen: Der Rechtsstaat sieht vor, dass niemand zurücktreten muss, bis seine Schuld tatsächlich bewiesen ist.

Das Gespräch führte Vasilije Mustur.

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