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Türkische Offensive in Syrien «Die Intervention ist politisch zum Scheitern verurteilt»

Die türkische Offensive gegen Kurdengebiete im Norden Syriens ist in vollem Gange. Die Militäraktion werde den von Präsident Recep Tayyip Erdogan versprochenen Erfolg nicht bringen, sagt der Journalist Thomas Seibert.

Thomas Seibert

Journalist in der Türkei

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Thomas Seibert verdiente sich seine journalistischen Sporen bei der «New York Times» und den Nachrichtenagenturen Reuters und AFP, bevor er 1997 als freier Journalist in die Türkei ging. Nach einem kurzen Zwischenhalt als Berichterstatter in den USA kehrte er im Juni 2018 nach Istanbul zurück.

SRF News: Die Truppen der kurdischen YPG stellen sich den Türken entgegen und sagen, sie hätten deshalb den Kampf gegen die IS-Terrormiliz stoppen müssen. Was bedeutet das?

Thomas Seibert: Laut kurdischen Angaben werden die YPG-Kämpfer aus Stellungen abgezogen, die bisher die Bewegungen von IS-Kämpfern überwacht hatten, um gegen die Invasoren zu kämpfen. Dadurch erhält der IS wieder mehr Bewegungsfreiheit in Syrien. Auch könnten IS-Gefangene, die bisher von YPG-Leuten bewacht wurden, jetzt freikommen. Zwei besonders gefährliche britische Terroristen immerhin wurden von den Amerikanern aus einem solchen Lager geholt und unter US-Kontrolle gebracht.

Angriff fordert Dutzende Tote und Verletzte

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Laut türkischen Angaben wurden seit Mittwochabend 181 Ziele der kurdischen YPG auf syrischer Seite angegriffen. Die Bodentruppen rückten demnach vor wie geplant. Die tatsächlichen Schäden der ersten Welle von türkischen Luft- und Artillerieangriffen wird man allerdings erst im Verlaufe des Tages abschätzen können. Auf kurdischer Seite ist von mindestens 15 Toten die Rede, darunter seien zwei Kinder. Laut unbestätigten Medienberichten sollen YPG-Kämpfer das Feuer von Syrien aus auf türkische Ziele eröffnet und dabei zwei Personen erschossen haben.

Zehntausende Menschen sollen im umkämpften Gebiet auf der Flucht sein. Wohin fliehen sie?

Die Grenze zur Türkei ist zu, deshalb fliehen sie, mit allem, was sie tragen können, in Richtung Süden, zum Beispiel in die frühere IS-Hochburg Rakka. In Medienberichten sieht man Menschen in Autos, auf Mopeds oder zu Fuss auf der Flucht, sie tragen Taschen oder Rucksäcke – die Situation scheint ziemlich chaotisch.

Kinder auf einem Pickup.
Legende: Tausende Menschen flüchten vor den Angriffen der türkischen Armee. Reuters

Wie reagieren die Menschen in der Türkei auf die Offensive ihrer Armee in Syrien?

Die meisten Türken stehen hinter der Militäraktion, vor allem aus patriotischen Gründen. Vier von fünf Parteien im türkischen Parlament befürworten die Intervention. Einzig die Kurdenpartei HDP ist dagegen und warnt vor den Folgen. Allerdings herrscht keine Kriegsbegeisterung.

Die 2.6 Millionen syrischen Flüchtlinge sorgen in der Türkei zunehmend für Unmut.

Viele Türken hoffen vor allem, dass viele Syrer dank der Intervention in ihr Land zurückgeschafft werden können. Die Anwesenheit von 2.6 Millionen syrischen Flüchtlingen in der Türkei sorgt in der Bevölkerung für immer mehr Unmut.

Erdogan wird wegen der Militäroffensive international scharf kritisiert. Wie kommt das in der Türkei an?

Die türkische Regierung spielt die Kritik herunter, scheint aber doch von der Heftigkeit der Kritik überrascht zu sein. Nur Katar hat sich bislang auf die Seite Ankaras gestellt. Was die vom US-Senat angedrohten Sanktionen gegen Erdogan angeht vertraut dieser offenbar auf Präsident Donald Trump und sein Veto.

Die türkische Operation namens «Friedensquell» soll Frieden bringen. Wird das gelingen?

Nein, die Intervention ist politisch zum Scheitern verurteilt. Ein Ziel ist, die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien von der Grenze wegzutreiben. Kurzfristig mag das dank der Übermacht der türkischen Armee gelingen. Doch langfristig werden sich die Kurden in dieser Gegend nicht einfach vertreiben lassen. Sobald die türkische Armee wieder aus dem Gebiet abziehen sollte, werden die YPG-Kämpfer nachrücken. Nötig wären politische Lösungsansätze, um mit den syrischen Kurden irgendwie ins Gespräch zu kommen.

Die Ansiedlung von in die Türkei geflohenen Syrern im Kurdengebiet erscheint unrealistisch.

Das andere Ziel besteht darin, eine ca. 30 km breite Sicherheitszone auf syrischem Gebiet entlang der türkischen Grenze zu schaffen, damit syrische Flüchtlinge aus der Türkei dort angesiedelt werden können. Das allerdings erscheint sehr unrealistisch. Man kann nicht einfach Hunderttausende Menschen in Bussen nach Nordsyrien schaffen. Es gibt dort weder Unterkünfte noch Arbeitsplätze oder sonstige Infrastruktur für diese Menschen.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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