In Haiti, dem ärmsten Land der Karibik, dringen die Retter nach dem Wirbelsturm «Matthew» nur langsam in die am stärksten betroffenen Regionen vor. Mindestens 800 Menschen seien getötet worden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Sie korrigieren damit die Opferzahlen dramatisch nach oben. Die Hilfsorganisation Care nannte unter Berufung auf das Innenministerium die Zahl von 478 Toten.
Im Karibikstaat leben sechs Jahre nach dem verheerenden Erdbeben mit mehr als 200'000 Toten immer noch Zehntausende in Zelten und Notunterkünften. Viele Menschen wurden von Bäumen erschlagen oder von den angeschwollenen Flüssen mitgerissen.
Schwer getroffene Regionen abgeschnitten
Die besonders stark betroffenen Regionen Sud und Grand'Anse im Südwesten wurde vom Rest des Landes abgeschnitten. Das Ausmass der Katastrophe ist deswegen noch immer schwer abschätzbar. Dutzende Tote gab es nach Aussagen von Helfern allein im Küstenort Les Anglais, den die ersten Helfer erst Tage nach dem Sturm erreichten.
Von Bäumen erschlagen
Zwischen Port-au-Prince und den Departements im Süden stürzte die wichtigste Brücke ein. «Im Süden der Insel wurden wichtige Gebäude wie Kirchen, Kliniken und Gesundheitsstationen beschädigt. Millionen Menschen in Haiti sind von diesem gewaltigen Sturm betroffen», sagte der Landesdirektor der Hilfsorganisation World Vision.
Die Hauptstadt der Region Grand'Anse, Jérémie, sei zu weiten Teilen zerstört. Alle Telefonverbindungen und die Stromversorgung seien zusammengebrochen. «80 Prozent der Häuser liegen in Trümmern. Die einzige Verbindungsstrasse ist unpassierbar, und den Menschen gehen langsam Nahrung und Geld aus.»
Das Land verschob wegen der Katastrophe seine Präsidentenwahl.
Der Wirbelsturm der Kategorie 4 hatte den Karibikstaat am Dienstag mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 Kilometern pro Stunde getroffen.
Schon wieder trifft es Haiti schlimm
Trotz Aufbauhilfe in Milliardenhöhe nach dem schweren Erdbeben vor über sechs Jahren hat sich der völlig verarmte Karibikstaat Haiti noch längst nicht erholt. Noch immer leben Menschen in Zelten oder einfachen Hütten, die Versorgungslage ist schlecht, und abgelegene Ortschaften sind nur schwer zu erreichen. Die wirtschaftlichen Schäden im Armenhaus Amerikas dürften enorm sein. Vor allem die Landwirtschaft bereitet den Helfern Sorgen. Die meisten Leute verdienen damit ihren Lebensunterhalt, und es ist noch immer Anbau-Saison. «Wir gehen davon aus, dass die südliche Halbinsel am schwersten getroffen ist, hier ist der Wirbelsturm direkt durchgezogen», sagt die stellvertretende Länderdirektorin der Hilfsorganisation Care. «Die Menschen leben dort in kleinen Häusern mit Dächern aus Bananenblättern oder Wellblech.» Solche Unterkünfte könnten starken Regenfällen und Wind kaum standhalten. Und längst nicht alle Bewohner der Region hatten sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Sie folgten dem Evakuierungsbefehl der Regierung nicht, viele wohl aus Angst vor Plünderungen. |