SRF News: Torben Lütjen, Sie haben ein Buch über die Republikaner geschrieben. Haben Sie diese Wahlschlappe in Alabama erwartet?
Torben Lütjen: Vor wenigen Monaten ganz bestimmt noch nicht. Letztes Jahr hat Donald Trump in diesem Bundesstaat noch mit 28 Prozent Vorsprung die Präsidentschaftswahl gewonnen. Es ist ein sehr konservativer Bundesstaat – doch angesichts der letzten Wochen ist das Resultat vielleicht nicht mehr ganz so überraschend. Nach allem was passiert war, hätte man sich das denken können.
Haben die Missbrauchsvorwürfe den Ausschlag gegeben für die Schlappe?
Ja, das hat eine Rolle gespielt. Auf der einen Seite hat das dazu geführt, dass viele Republikaner gar nicht zur Wahl gegangen sind. Das hat der Gegenseite – den Demokraten – bei der Mobilisierung geholfen. Man darf aber nicht vergessen: Moore war auch vorher schon ein sehr kontroverser Kandidat, der der ultrarechten Religiösen angehört, der Dinge gesagt hat, die selbst in Alabama nicht mehr ganz zum Mainstream gehören. Insofern war es sicher der Kandidat Moore, der die Wahl verloren hat. Es sind aussergewöhnliche Umstände, die man nicht auf die allgemeine politische Grosswetterlage übertragen kann.
Welche Rolle spielte die schwarze Wählerschaft? Sie konnte stark mobilisiert werden...
Ja, das ist für alle Beobachter interessant und auch überraschend. Vielleicht ist es sogar die Nachricht, die die Republikaner am nachdenklichsten machen sollte. In Alabama ist die Wahlbeteiligung in Landkreisen mit überwiegend afroamerikanischer Bevölkerung sehr hoch gewesen. Zum Teil höher als 2008 und 2012 unter Obama. Das Elektorat in Alabama hat sich aus 30 Prozent Schwarzen zusammengesetzt. Das entspricht etwa ihrem Anteil an der Bevölkerung. Aber wir wissen, dass Minderheiten dazu tendieren, gerade bei solchen Wahlen, die keine Präsidentschaftswahlen sind, weniger zur Urne zu gehen. Von dem her ist das ein spektakulärer Mobilisierungserfolg.
Es sind aussergewöhnliche Umstände, die man nicht auf die allgemeine politische Grosswetterlage übertragen kann.
Eine Schlappe ist es vor allem auch für Präsident Trump. Er hat Moore öffentlich unterstützt. Wie nachhaltig schädigt das den Präsidenten?
Auf den ersten Blick ist es eine unangenehme und peinliche Niederlage für jemanden, der von sich selbst behauptet, niemals zu verlieren. Trump hat sich zwar sehr spät, dann aber recht deutlich hinter Moore gestellt. Es ist sicherlich ein Rückschlag für ihn, andererseits glaube ich nicht, dass in der Partei selbst nun viele sehr unglücklich sind. Denn dort wusste man, dass ein Roy Moore im Senat sicherlich eine Hypothek gewesen wäre, mit der die Demokraten 2018 und 2020 versucht hätten, Wahlkampf zu machen. Für das Fortkommen der republikanischen Partei ist es vielleicht ganz gut, dass er nicht im Senat sitzt.
Das Gespräch führte Monika Glauser.