Karin Wilke ist die bildungspolitische Sprecherin der AfD im sächsischen Landtag. Ihre Partei hat eine Online-Plattform erstellt, auf der Schüler und Eltern «einseitige politische Stellungnahmen» – gemeint sind solche gegen die AfD – von Lehrkräften melden können.
«Wir haben in Deutschland Lehrmittelfreiheit. Die Lehrer sind mitunter sehr kreativ, Arbeitsblätter zu erfinden, die sich direkt gegen die AfD richten», so Wilke. Es geht auch um Beschwerden wegen rassistischer Beleidigung gegen deutsche Schüler, Mobbing, Judenfeindlichkeit, Werbung für kulturfremde Weltanschauung – sprich für den Islam – oder um Extremismus. «Es ist ein Kummerkasten an uns», so Wilke.
«Es ist eine Denunziationsplattform», sagt hingegen Ilka Hoffmann von der linken Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Karin Wilke weist diesen Vorwurf zurück. Die Informationen würden nicht publik gemacht. Und die Aufforderung, Fotos zu schiessen, beziehe sich nur auf Arbeitsblätter. Gleichzeitig sagt sie: «Wir hoffen, dass 99,9 Prozent unserer sächsischen Lehrer sich korrekt verhalten.» Warum dann nicht die bestehenden schulinternen Beschwerdemöglichkeiten dafür nutzen? Der Verdacht steht im Raum, dass die Plattform dazu dient, Lehrer und Lehrerinnen einzuschüchtern.
Schliesslich gibt Wilke zu: «Wir sind uns bewusst, dass diese Plattform verunsichert.» Das sei in gewissem Sinne auch gewollt: «Es wird ein Kampf gegen rechts, gegen uns als AfD geführt. Wir haben das Gefühl, uns zur Wehr setzen zu wollen. Die Plattform ist ein Vehikel dafür.»
Von Empörung bis zu Scherz-Einträgen
Die Reaktionen auf die Plattform waren heftig. «Dieses Portal, das die AfD vorschlägt, erinnert mich an 1933 bis 1945. 1989 wurde Überwachung und Denunziantentum abgewählt. Das wollen wir nicht wieder haben», so Helmut Holter, thüringischer Bildungsminister von der Partei Die Linke.
Gegner fluteten die AfD-Plattformen mit Scherzmeldungen. Zum Beispiel mit Beiträgen wie: «Mein Kind ist ganz grünrot-versifft vom Kunstunterricht nach Hause gekommen. Wie kriege ich das wieder raus?» Oder: «Mein Kind muss immer links sitzen. Färbt das auf die politische Haltung ab?», erzählt Hoffmann.
Aber vor allem bei jüngeren Lehrkräften gebe es eine gewisse Verunsicherung. Ähnliche Plattformen gibt es in Hamburg und Baden-Württemberg, dort sollen sogar Namen von Lehrern öffentlich genannt werden. In Sachsen würde nichts publik gemacht, sagt Wilke.
Bisher 20 Meldungen
Aber auch nicht publik gemachte Informationen können die Betroffenen verunsichern. In Sachsen seien bislang etwa 20 ernstzunehmende Meldungen eingegangen, erläutert Wilke. Wehren kann man sich offenbar nur bedingt, sagen Juristen, denn es gebe auch ähnliche, legale Plattformen, auf denen zum Beispiel Ärzte bewertet würden.
Nach der heftigen öffentlichen Reaktion krebst die AfD zurück. Gut möglich, dass das Portal wieder geschlossen werde, so Wilke. Mehr Sorgen bereiten den Lehrkräften und der Gewerkschaft Dienstaufsichtsbeschwerden seitens der AfD.