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Umstrittene Rentenreform Die störrischen Gallier und ihre Extrawürste

An der Reform des französischen Rentensystems hat sich noch jeder Präsident die Zähne ausgebissen – auch Macron?

Sie gilt als «Mutter aller Reformen» – die Rentenreform. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gab es in Frankreich lediglich zwei Anläufe dazu. Beide scheiterten grandios am Wider- und Aufstand des Volks, 1953 und 1995. Auch für Emmanuel Macron wird die Einlösung eines seiner wichtigsten Wahlversprechen zum Schicksalsprojekt. Jetzt muss sich zeigen, ob die «störrischen Gallier», wie der Wahlmonarch seine Landsleute auch schon bezeichnete, reformierbar sind.

Schöner Ruhestand

Heute gibt es in Frankreich ein allgemeines Rentensystem und 42 spezielle Sonderrentenkassen für verschiedene Berufsgruppen. Gut zwei Dutzend darunter sind mit ansehnlichen Privilegien verbunden. Die Eisenbahner der SNCF beispielsweise gehen im Schnitt mit knapp 57 in Pension, Angestellte der ebenfalls staatlichen Pariser Verkehrsbetriebe RATP mit etwas über 55 Jahren. Einiges früher als Beschäftigte in der Privatwirtschaft, die sich erst mit durchschnittlich 63 pensionieren lassen. Auch sind die Renten des Spezialregimes doppelt so hoch wie das französische Mittel, das bei 1422 Euro liegt.

14 Prozent des BIP für die Renten

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Mit 14 Prozent des Bruttoinlandprodukts ist kein Posten der französischen Staatsausgaben höher (zum Vergleich: in Deutschland sind es 10 Prozent). Dazu finanzieren sich viele der Sonderrentensysteme ausserdem nicht selbst. Anders als bei der gut dotierten Anwaltskasse, bei der vier Aktive auf einen Rentner kommen, finanziert bei den SNCF ein Aktiver zwei Rentner. Zwei Drittel der Bahn-Renten bezahlt der Steuerzahler.

Von Macron als «ungerecht und undurchsichtig» bezeichnet, will die Regierung nun diese Privilegien und Extrawürste abschaffen und die verschiedenen Rentenkassen in einem Universalsystem zusammenführen. Mit einem Punktesystem, bei dem jeder einbezahlte Euro Anrecht auf einen Euro Rente gibt.

Reform-Idee eines Schweizers

Macron orientiert sich dabei an der Idee des Ökonomen Antoine Bozio. Der in Genf geborene Direktor des Instituts für staatliche Politik (IPP) rüttelt nicht an der solidarischen Umverteilung von Aktiven zu Rentnern, aber an der Kalkulationsformel: Mit jedem einbezahlten Euro erhöht sich die Rente. Dazu wird die Summe der Beiträge regelmässig dem Lohnwachstum angepasst und auch die mit jeder Generation höhere Lebenserwartung wird in die Renten-Berechnung miteinbezogen.

Ohne das Rentenalter nach oben anzupassen, erhält, wer länger arbeitet, also auch eine höhere Rente. «Der Versicherte weiss damit immer, wo er steht», erklärt Bozio. Da auch nicht mehr nur die besten Arbeitsjahre in die Berechnung miteinbezogen werden, favorisiere das Punktesystem lange und flache Karrieren von Arbeitern oder zerstückelte von Frauen, die rentenmässig nicht mehr abgestraft würden, wenn sie zur Kindererziehung pausieren.

Widersprüchliche Kommunikation

Die Vereinfachung des aktuellen hochkomplexen Systems ist das eine, die ständig steigenden Kosten dafür in den Griff zu bekommen, das andere. Während Macron verspricht, das Rentenalter 62 nicht anzutasten, redet sein Premierminister Edouard Philippe offen von der Notwendigkeit, künftig länger zu arbeiten, um das Defizit, das sich bis 2025 auf über 17 Milliarden Euro belaufen wird, auszugleichen.

Macrons «en même temps», gleichzeitig verschiedene Probleme zu lösen, sorge hier für eine widersprüchliche Kommunikation, die grosse Ängste und Misstrauen hervorrufe, ärgert sich Bozio. Dabei ist eigentlich eine Mehrheit der Franzosen für eine Rentenreform, 76 Prozent laut der neuesten Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Ifop. Allerdings glauben wiederum nur 36 Prozent, dass der Regierung das gelingt. Fast jeder zweite Franzose unterstützt dazu den heutigen Streik.

Alexandra Gubser

Deutschland-Korrespondentin

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Alexandra Gubser ist seit Sommer 2022 Deutschland-Korrespondentin von SRF. Zuvor berichtete Gubser aus Frankreich. Sie ist seit 2007 für das Unternehmen als Produzentin, Redaktorin und Reporterin der «Tagesschau» tätig. Davor arbeitete sie für Medien wie «TeleZüri» oder «Radio 24».

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