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Russisch-orthodoxe Kirche gewinnt an Einfluss
Aus Rendez-vous vom 13.03.2017. Bild: Wikimedia.commons/Alex 'Florstein' Fedorov
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Streit um Isaaks-Kathedrale Unheilige Allianz zwischen Kreml und Kirche

Die Orthodoxe Kirche ist gegen Abtreibung, sie verurteilt Homosexualität und beteuert, Russland sei etwas ganz Besonderes. Das passt sehr gut zu den Ideen des Kremls. Er unterstützt sie deshalb beim Versuch, mehr Einfluss zu gewinnen – wie etwa in der Isaaks-Kathedrale in St. Petersburg.

SRF News: Die berühmte St. Petersburger Isaaks-Kathedrale soll 100 Jahre nach der Oktoberrevolution wieder an die Orthodoxe Kirche übergehen. Warum wehren sich besser ausgebildete, europäische Petersburger dagegen?

David Nauer: Ein wichtiges Argument ist das Geld: Die Isaaks-Kathedrale ist derzeit noch ein Museum und bringt der Stadt mit dem Billetverkauf Millionen ein. Viele Petersbruger sagen, das Übergeben der Kathedrale an die Kirche sei ein zu teures Geschenk – vor allem da im Moment das Stadtbudget ziemlich knapp ist.

Ein weiterer Grund ist ein Unbehagen über die wachsende Rolle der Orthodoxen Kirche in Russland. Sie ist in den letzten Jahren viel wichtiger geworden. Die Übernahme der Isaaks-Kathedrale wäre ein Symbol dafür.

Streit um die Isaaks-Kathedrale

Der russische Patriarch Kirill hat die Rückgabe aller zu Sowjetzeiten enteigneten Gotteshäuser an die Kirche gefordert. In einem aktuellen Streit um die Isaaks-Kathedrale in St. Petersburg versuchte er aber Befürchtungen zu dämpfen, das Wahrzeichen werde in kirchlichem Besitz weniger zugänglich sein.
Die riesige Kathedrale von 1858 mit der markanten Goldkuppel ist eins der populärsten Museen in Russland. Nach der Oktoberrevolution des Jahres 1917 wurden dort noch etwa ein Jahrzehnt lang Gottesdienste gefeiert. Nach jahrelangem Drängen der Orthodoxen Kirche sagte die Stadtverwaltung im Januar zu, die Kathedrale dem Patriarchat zurückgeben.
Dagegen regt sich in St. Petersburg Protest. Am Sonntag demonstrierten rund 2500 Menschen gegen die Rückgabe der Isaaks-Kathedrale. Sie trugen Spruchbänder wie «Russland ist ein laizistischer Staat» und «Patriarchat - Hände weg von St. Isaak!».

Bringen die Proteste gegen die Pläne des Gouverneurs etwas?

Erstaunlicherweise wäre das durchaus möglich. Der Kreml hat sich schon von den Plänen des Gouverneurs von St. Petersburg distanziert. Es gibt jetzt die Information, dass hinter den Kulissen nach einem Kompromiss gesucht wird. Möglicherweise werden der Staat und die Kirche die Kathedrale künftig gemeinsam nutzen. Es wäre einer der seltenen Fälle, in denen Proteste die russische Regierung zum Umlenken bewegen.

Es wäre einer der seltenen Fälle, in denen Proteste die russische Regierung zum Umlenken bewegen.

Ist die Rückgabe der Isaaks-Kathedrale ein Einzelfall in Russland?

Die Orthodoxe Kirche versucht im ganzen Land, auf Grundstücke und Gebäude zuzugreifen, die sie vor der Oktoberrevolution von 1917 benutzt hat. Da geht es um Klöster, Kirchen oder andere Grundstücke. In vielen Fällen hat die Kirche dabei Erfolg und bekommt vom Staat das, was sie sich wünscht.

Es geht der russischen Staatsmacht darum, die Kirche zu stärken, denn sie passt sehr gut zu deren neuen und rückwärtsgewandten Ideologie.

Der Staat hilft mit, die Orthodoxe Kirche zu stärken. Mit welcher Absicht?

Es geht der russischen Staatsmacht darum, die Kirche zu stärken. Das hat viel mit Ideologie zu tun: Russland erlebt gerade eine konservative Wende. Es ist viel die Rede von traditionellen russischen Werten, und da gehört die Orthodoxe Kirche dazu.

Sie passt sehr gut zur neuen und rückwärtsgewandten Ideologie, denn die Kirche ist gegen Abtreibung, sie verurteilt Homosexualität und beteuert, Russland sei etwas ganz Besonderes – im Gegensatz zum moralisch verkommenen Westen sogar das einzig wirklich christliche Land. Das passt sehr gut zu den Ideen des Kremls.

Die Russen haben ein sehr gespaltenes Verhältnis zur Kirche.

Und was sagt die grosse Mehrheit der russisch-orthodoxen Christen?

Die Russen haben ein sehr gespaltenes Verhältnis zur Kirche. Die allermeisten sagen, sie seien orthodox. Zu sagen, man sei orthodox. ist sogar gleichbedeutend mit, man sei Russe. Gleichzeitig gehen aber nur die allerwenigsten Leute in die Kirche und die Bibel haben auch nur die wenigsten gelesen.

Das Gespräch führte Simon Leu.

David Nauer

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David Nauer

David Nauer ist Korrespondent von Radio SRF in Russland. Von 2006 bis 2009 hatte Nauer für den «Tages-Anzeiger» aus Moskau berichtet, anschliessend aus Berlin.

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