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Unklarheit in Simbabwe «Emmerson Mnangagwa ist auch kein lupenreiner Demokrat»

Unklare Verhältnisse in Simbabwe: Offiziell ist Präsident Mugabe nicht zurückgetreten. ARD-Korrespondent Jan-Philipp Schlüter schätzt die Lage ein.

SRF News: Wie ist die Lage jetzt in Simbabwe?

Jan Philipp Schlüter: Die Lage ist ruhig. Es ist rund dreissig Stunden her seit diesem Putsch – denn das war nichts anderes als ein Putsch. Insgesamt ist er gewaltarm und ohne Blutvergiessen über die Bühne gegangen. In Harare halten Soldaten die strategisch wichtigen Punkte besetzt, zum Beispiel den internationalen Flughafen. Man kann zwar ein- und ausfliegen, aber man will genau wissen, was die Leute, die ankommen, hier wollen. Im Grunde warten alle darauf, dass das Militär die Pläne für die Zukunft bekannt gibt.

Glauben die Menschen in Simbabwe der Beteuerung der Armee, sie habe die Macht nur zeitweilig übernommen?

Die Menschen reiben sich verwundert die Augen, dass Mugabe und seine Clique quasi über Nacht weggefegt wurde.

Sie hoffen es zumindest. Im Moment ist eine Art Erleichterung zu spüren, dass die Ära Mugabe endlich vorbei ist – zumindest bei einer Mehrheit der Simbabwer. Aber auch eine gewisse Angst, wie es weitergeht. Die Menschen reiben sich verwundert die Augen, dass Mugabe und seine Clique quasi über Nacht weggefegt wurden und dass jetzt alles anders werden soll. Viele können sich das noch gar nicht so richtig vorstellen. Sie hoffen, dass das Militär sich an sein Versprechen hält, für einen friedlichen zivilen Übergang zu sorgen.

Das Militär verhandelt zurzeit. Es heisst, dass die Befehlshaber mit Präsident Mugabe über mögliche Voraussetzungen für einen Rücktritt sprechen.Das Militär will den Eindruck des Putsch vermeiden und will deshalb, dass Mugabe zurücktritt.

Es wird vermutet, der ehemalige Vize-Präsident Emmerson Mnangagwa stehe hinter der Machtübernahme. Er, der vor einer Woche von Mugabe entlassen wurde. Was ist da dran?

Ziemlich sicher ist, dass die Entlassung von Emmerson Mnangagwa mit ein Grund war, dass das Militär gesagt hat: jetzt reicht's. Mugabe hätte sich nicht 37 Jahre an der Macht halten können, wenn er vom Militär nicht den Rücken frei gehalten bekommen hätte.

Mugabe hat nun die Unterstützung des Militärs verloren, und zwar durch die Entlassung von Emmerson Mnangagwa.

Das Militär hat ihm geholfen, als er vor 15 Jahren eine demokratische Wahl verloren hat. Mugabe hat dann das Land mit Terror überzogen und hat sich geweigert, die Niederlage anzuerkennen. Das Militär stand dabei fest an seiner Seite. Jetzt hat Mugabe die Unterstützung des Militärs verloren, und zwar durch die Entlassung von Emmerson Mnangagwa. Dieser hat beste Beziehungen zur Armee. Er war lange Befreiungskämpfer, so wie viele Generäle in der Armee.

Präsident Mugabe steht mit seiner Familie offensichtlich unter Hausarrest. Hat er sich inzwischen zu der Machtübernahme geäussert?

Jan-Philipp Schlüter

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Jan-Philipp Schlüter ist ARD-Korrespondent für das südliche Afrika. Er lebt in Johannesburg (Südafrika).

Öffentlich nicht. Das einzige Lebenszeichen, das wir von Mugabe bis jetzt bekommen haben, kam via den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma. Er ist Vorsitzender der südafrikanischen Staatengemeinschaft, und als solcher hat er gestern mit Mugabe telefoniert. Zuma hat gesagt, Mugabe gehe es gut, er stehe unter Hausarrest. Was mit seiner Familie ist, da gibt es verschiedene Nachrichten. Die einen sagen, die ganze Familie sei mit Mugabe in Simbabwe. Andere sagen, dass seine Frau, First Lady Grace Mugabe, das Land lange schon verlassen hat. Sie soll gerüchteweise nach Namibia geflohen sein. Grace Mugabe gilt als sehr machthungrig und wäre gerne selber Präsidentin geworden – auch das hat zu diesem Putsch geführt.

Es ist der Morgen nach der Machtübernahme. Unterdessen gibt es auch politische Reaktionen. Wie sehen diese aus?

Aus Afrika gibt es zwei Reaktionen. Die eine ist die eben erwähnte südafrikanische Staatengemeinschaft. Die haben Minister nach Harare entsandt, um einen Dialog mit beiden Seiten aufzunehmen. Wir hören, dass die ganze Nacht verhandelt worden ist. Zudem hat sich die Afrikanische Union geäussert. Sie hat die Armee aufgefordert, in die Kasernen zurückzugehen. Damit hat sie die Putschisten kritisiert. Sie hat auch gefordert, dass Simbabwe möglichst schnell zu einer verfassungsmässigen Ordnung zurückkehren solle.

Was hat die Bevölkerung zu erwarten, wie geht es jetzt weiter mit der Führung in Simbabwe?

Meine Vermutung ist, dass jetzt so lange verhandelt wird, bis eine Lösung für das Problem Mugabe gefunden wird. Ob er zurücktreten wird, ob er zu einem Rücktritt gedrängt wird oder ob er entmachtet wird, das wird man sehen. Über kurz oder lang wird von der Armee eine zivile Übergangsregierung eingesetzt werden. Sie soll für etwas Ruhe sorgen, bevor es vielleicht Wahlen gibt. Das kann Wochen, Monate oder Jahre dauern. Langfristig wird sich so viel nicht verändern, denn die Regierungspartei Zanu PF wird weiter an der Macht bleiben können. Selbst wenn es vielleicht besser ist als das, was Simbabwe in den letzten Jahren erlebt hat, Emmerson Mnangagwa ist kein lupenreiner Demokrat. Er hat über 40 Jahre in diesem System als harter Hund mitgewirkt. Eventuell wird sich wirtschaftlich etwas bessern, das wäre den Simbabwern zu wünschen, aber ich glaube nicht, dass Simbabwe langfristig das Eldorado einer Demokratie wird.

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