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UNO-Bericht zum Fall Khashoggi «Dicke Post» für Kronprinz Mohammed bin Salman

Dank der Erkenntnisse des UNO-Berichts fällt das Lügengebäude der saudischen Führung in sich zusammen.

Der Mord am kritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi blieb bisher geheimnisumwittert. Nun legt die UNO-Sonderberichterstatterin für aussergerichtliche Tötungen einen Bericht vor, in dem sie «glaubhafte Hinweise» vorlegt für die Schuld der saudischen Führung.

Der UNO-Bericht ist mit hundert Seiten nicht nur umfangreich, er ist auch in seinen Aussagen «dicke Post» an die Adresse des saudi-arabischen Regimes. Autorin ist die Französin Agnès Callamard, eine hoch angesehene Spezialistin für Menschenrechte. Sie leitete früher mehrere Menschenrechtsinstitutionen und verantwortete Untersuchungen in rund 30 Ländern.

Lügengebäude fällt zusammen

Dank ihrer Erkenntnisse fällt nun das Lügengebäude, das die Saudis aufgebaut haben, in sich zusammen. Obwohl es von vielen Ländern, nicht zuletzt von der US-Regierung, ohne grosse Proteste akzeptiert worden war. Doch nun steht schwarz auf weiss im Bericht: Nein, es handelte sich nicht um eine «verbrecherische Aktion» von niederrangigen Funktionären und auch nicht um eine Mordtat, von der die saudische Führung und ihr starker Mann, Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud nichts wusste.

Die UNO-Sonderberichterstatterin Callamard sieht vielmehr «glaubhafte Belege», welche die Drahtzieher der Bluttat an Khashoggi in den Herrscherpalästen in Riad verorten: Im Umfeld von und bei Kronprinz Mohammed bin Salman selber.

Sie seien die Schuldigen und nicht jene elf niedrigen Chargen, denen nun in Saudi-Arabien pro forma der Prozess gemacht wird. Es gehe nicht darum, den «rauchenden Colt» zu finden oder jenen, der den Mord physisch verübt habe. Wichtiger sei, jene zu identifizieren, welche die grausame Aktion zu verantworten haben.

Untersuchungen genügen Standards nicht

Agnès Callamard betont auch: Die bisherigen Untersuchungen der Türkei, wo die Tat verübt wurde, und jene der Saudis genügten internationalen Standards nicht. Ihre eigene Untersuchung erlaube nun aber UNO-Generalsekretär Antonio Guterres oder dem UNO-Sicherheitsrat, eine offizielle juristische Untersuchung der kriminellen Tat einzuleiten. Callamard stützt sich dabei nicht zuletzt auch auf die Auswertung von Tonaufnahmen von den letzten Stunden Jamal Khashoggis im Konsulat in Istanbul.

Dass das passieren wird, ist zu bezweifeln. Die Saudis werden alle Hebel in Bewegung setzen, dies zu verhindern. Sie haben mächtige Freunde im UNO-Sicherheitsrat, solche mit Vetorecht, nicht nur die USA, sondern auch China und Russland. Entsprechend unwahrscheinlich ist deshalb auch, dass der Forderung von UNO-Sonderberichterstatterin Callamard entsprochen wird, Sanktionen gegen den Kronprinzen zu verhängen und etwa seine persönlichen Konten im Ausland zu blockieren.

Trotzdem ist der UNO-Bericht wertvoll. Zunächst für die Angehörigen von Jamal Khashoggi. Sie erfahren nun wenigstens, wer wirklich Schuld trägt. Aus einem Verdacht wird nun Gewissheit.

Wertvoll ist das Ergebnis der Untersuchung aber auch für die Weltöffentlichkeit. Ihr wird so deutlich wie kaum je zuvor vor Augen geführt, was für ein Regime das saudi-arabische ist und wessen Geistes Kind dessen autoritärer Herrscher ist. Eigentlich Grund genug, Lehren und Konsequenzen zu ziehen.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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