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UNO-Migrationspakt «Bei diesem Thema gibt es zwei klare Fronten»

Der Migrationspakt der UNO ist eines der wichtigsten internationalen Projekte des Jahres 2018. Der Bundesrat hat heute die Zustimmung zu diesem Pakt beschlossen. Bundesrat Ignazio Cassis hatte im Vorfeld Bedenken geäussert. Auch die SVP war dagegen, dass die Schweiz unterzeichnet. Was die Zustimmung bedeutet, erklärt SRF-Mitarbeiter Fredy Gsteiger.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

SRF News: Der Migrationspakt ist rechtlich nicht verbindlich, aber politisch bindend. Was bedeutet das?

Es heisst im Grunde, dass sich die unterzeichnenden Länder primär selber verpflichten, den Pakt einzuhalten. Es ist also nicht eine Verpflichtung, die die UNO durchsetzen kann. Sie hat keine Möglichkeiten – ausser einem gewissen politischen Druck – einen solchen Pakt, ein solches Abkommen durchzusetzen, beispielsweise mit Sanktionen. Man muss allerdings wissen: Auch bei rechtlich verbindlichen Verträgen, etwa dem Klimaabkommen oder dem Atomsperrvertrag, ist es oft sehr schwierig, dafür zu sorgen, dass sich wirklich alle daran halten. In vielen Fällen gelingt es nicht einmal dort.

Man will mit diesem Pakt die illegale Migration unterbinden und dafür mehr Möglichkeiten für legale Migration schaffen – die Türen für diese Form der Migration also etwas öffnen.

Wenn er nicht verbindlich ist. Was nützt er dann?

Ein bisschen mehr ist es schon. Es geht der UNO im Grunde darum, Standards zu setzen. Und zwar aus der Überlegung heraus, dass Migration ohnehin stattfindet. Sie nimmt gemäss der UNO-Projektionen sogar in Zukunft noch stark zu. Wenn Zuwanderung und Auswanderung natürlich auch, ohnehin passieren, dann ist das Beste, was man machen kann, sie wenigstens in geordnete Bahnen zu lenken. Das heisst, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte beachtet werden, dass die Länder kooperieren und vielleicht auch ein Stück weit die Haltung der Menschen gegenüber der Migration verändert wird, so dass man sie nicht primär nur negativ sieht.

Konkret kann das zum Beispiel heissen: Man will mit diesem Pakt die illegale Migration unterbinden und dafür mehr Möglichkeiten für legale Migration schaffen – die Türen für diese Form der Migration also etwas öffnen.

Es ist auf jeden Fall nicht so, dass dieser Pakt automatisch zu einem rechtsverbindlichen Vertrag wird.

In der Schweiz hatte namentlich die SVP etliche Vorbehalte. Sie monierte, es sei nur eine Frage der Zeit, bis der Pakt zu internationalem Recht gehöre. Wie gross ist – aus Sicht der SVP – das Risiko, dass das passiert?

Es ist auf jeden Fall nicht so, dass dieser Pakt automatisch zu einem rechtsverbindlichen Vertrag wird. Es bräuchte neue Verhandlungen, es bräuchte neue Unterzeichnungen, und in Ländern wie der Schweiz bräuchte es dann auch eine Ratifizierung durch das Parlament. Was aber natürlich stimmt, und insofern haben die Gegner nicht ganz unrecht: Der Inhalt dieses UNO-Paktes ist natürlich von einem Pro-Migrationsgeist geprägt.

Die UNO möchte die Entwicklung schon in diese Richtung steuern. Es stimmt aber nicht – und das wäre auch bei weitem im Moment nicht mehrheitsfähig - dass dieser Pakt praktisch eine weltweite Niederlassungsfreiheit vorsieht. Menschenrechtsorganisationen haben das zwar gefordert. Es gibt auch UNO-Kaderleute, die das möchten. Aber das ist derzeit chancenlos und das steht in diesem Punkt auch nicht drin.

Die USA haben sich an der Ausarbeitung des Paktes nicht beteiligt, diverse Länder überlegen sich einen Ausstieg; Polen beispielsweise, auch Ungarn und Österreich. Was bedeutet das für diesen Pakt?

Es heisst zunächst, dass diese Länder sich zu den Zielen des Paktes oder zumindest zu einzelnen Zielen des Migrationspaktes nicht bekennen wollen. Es zeigt vor allem auch, wie umstritten das Thema ist. Es macht ausserdem deutlich, dass es bei diesem Thema zwei klare Fronten gibt.

Auf der einen Seite jene, die sagen, Zuwanderung lässt sich verhindern, wenn man das will. Also braucht es vor allem Abwehrmassnahmen. Und auf der anderen Seite jene, die sagen, in einer globalisierten Welt ist Migration quasi ein Naturgesetz. Man kann nicht grundsätzlich etwas dagegen machen, also muss man es am besten regeln. Es gibt international im Moment überhaupt keinen Konsens in der Frage, was der richtige Ansatz ist. Und selbst ein nationaler Konsens existiert in den meisten Ländern bei der Migration nicht.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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