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Untreue und Korruption Ex-Minister Grasser auf der Anklagebank

Der Korruptionsprozess gegen den ehemalige Finanzminister Österreichs und weitere Angeklagte hat begonnen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der ehemalige österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser soll sich bei der Privatisierung von Staatsvermögen die Taschen mit Millionen Euro gefüllt haben.
  • Nun steht Grasser und weitere Angeklagte in Wien vor Gericht. Es handelt sich um einen der grössten Korruptionsprozesse der österreichischen Geschichte.
  • Wegen der Fälle von Korruption wuchs im Land die Verdrossenheit über die Politik.

Ob Austria Tabak, die Staatsdruckerei, die Post, Stahlwerke oder die Telecom: Als damaliger Finanzminister der konservativ-freiheitlichen Regierung Österreichs verkaufte Karl-Heinz Grasser im grossen Stil österreichisches Volksvermögen. Insgesamt verschleuderte er Tafelsilber in der Höhe von 6,2 Milliarden Euro. «Mehr privat, weniger Staat» lautete seine Devise, während er mit den Verkäufen seine Budgetlöcher stopfte.

Doch das Vermögen der Republik war nach Ansicht der Wiener Staatsanwaltschaft nur gegen Bestechungsgeld zu haben. So geschehen etwa bei der Versteigerung der 62'000 Bundeswohnungen: Finanzminister Grasser habe über einen Mittelsmann einem Immobilien-Finanzierungsunternehmen verraten, wie hoch ein anderer Interessierter – eine Bank – für die Wohnungen geboten habe. Am nächsten Tag habe das Immobilien-Finanzierungsunternehmen dann 961 Millionen Euro geboten – eine Million mehr als die Bank – und den Zuschlag bekommen.

Grasser wehrt sich

Das Immobilien-Finanzierungsunternehmen hatte den Tipp nachweislich von einem Freund Grassers. Und dieser Freund erhielt fast zehn Millionen Euro als Provision. Ein paar Millionen Euro landeten schliesslich via Zypern, Delaware, Liechtenstein und Belize auf einem Konto, das die Staatsanwaltschaft Grasser zuschreibt.

Das sei alles ein Konstrukt und er ein Opfer einer schiefen Optik, sagt Grasser dazu. Der Prozess, der heute in Wien beginnt, werde seine Unschuld beweisen.

Korruption führte zu Politikverdrossenheit

Nicht untersucht wird im Prozess, welcher Schaden dem Land durch Grassers Privatisierungen materiell und politisch erwuchs. So wären allein die Bundeswohnungen fast doppelt so viel wert gewesen. Der Verkauf zum tieferen Preis gilt jedoch als kaufmännisches Unvermögen und ist nicht strafbar.

Wegen der Korruptionsfälle während der konservativ-freiheitlichen Ära und der Dauer, bis die Justiz reagierte, wuchs die Politikverdrossenheit in Österreich. Die Ironie der Geschichte will es, dass gerade jetzt, da diese Ära quasi vor Gericht steht, sich die Konservativen und die Freiheitlichen wieder daranmachen, eine Koalition zu bilden.

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