- US-Präsident Donald Trump hat seinen Aussenminister Rex Tillerson zurückgepfiffen – per Twitter, für alle Welt sichtbar.
- Dies nachdem Tillerson erklärt hatte, die USA hätten direkte Kommunikationskanäle nach Nordkorea.
- Wie lange lässt sich Tillerson noch von Trump blossstellen?
SRF News: Aussenminister Tillerson ist derzeit unterwegs in Asien, unter anderem besucht er China. Wieso stellt ihn US-Präsident Donald Trump in dieser Situation derart bloss?
Fredy Gsteiger: Einerseits zeigt es einmal mehr, dass Trump keinen Respekt vor Menschen hat – ausser vor sich selber. Das gilt auch für seinen Aussenminister Rex Tillerson. Zwar preist er ihn gelegentlich als «grossartigen Manager und Verhandler», doch immer wieder desavouiert Trump ihn. Das geschah etwa in der Katar-Krise, beim Nordkorea-Problem oder bei der Iran-Atomfrage. Andererseits zeigt es, dass Trump kein aussenpolitisches Konzept hat, sondern einfach immer wieder Dinge sagt und tweetet, die seiner Anhängerschaft gefallen. Trump teilt so immer wieder mal aus – mal gegen Mexiko, mal gegen Kanada, gegen die Nato, gegen die Europäer, gegen China oder gegen Nordkorea.
Unter Trump haben die USA derzeit keine verlässliche Aussenpolitik.
Der Tweet von Präsident Trump legt nahe, dass der US-Präsident nichts von möglichen Gesprächen mit Nordkorea weiss. Kann das sein?
Das kann man tatsächlich nicht ausschliessen. Donald Trump interessiert sich nicht wirklich für politische Substanz. So liest er keine Briefings seiner Mitarbeiter oder Dokumente. Auch sei er – so ist hier aus seinem Umfeld zu hören – kaum beratbar. Mal lässt er sich von seinen Ideologen beeinflussen, mal von seinen Generälen. Und manchmal äussert er sich auch einfach aus dem Bauch heraus.
Gibt es in der US-Aussenpolitik derzeit überhaupt noch so etwas wie eine geordnete Stossrichtung?
Die ist nicht wirklich erkennbar, wie auch die UNO-Rede Trumps zeigte: Sie trug einerseits die Handschrift der Ideologen in seinem Umfeld, was sich durch kriegerische Rhetorik und das sich wiederholende America-First-Thema zeigte. Die andere Handschrift war jene der klassischen republikanischen Aussenpolitik, die eher von den Militärs und von UNO-Botschafterin Nikky Haley vertreten wird. Diese Linie wurde seinerzeit auch von US-Aussenminister Henry Kissinger oder von Vater und Sohn Bush vertreten. Doch unter Trump haben die USA derzeit tatsächlich keine verlässliche Aussenpolitik.
Tillerson, der Polit-Neuling, wirkt mit der politischen Strippenzieherei überfordert.
Tillerson ist ein Neuling auf dem diplomatischen Parkett, im Aussenministerium hat er viele Stellen nicht besetzen können, und jetzt muss er die Krise mit Nordkorea bewältigen. Hat Tillerson zu wenig Gewicht, um Trump entgegenzutreten?
Das ist zweifellos so – und daran hat er bis zu einem gewissen Grad selber Schuld. Tillerson ist auch nach acht Monaten nicht im Amt angekommen. Bei öffentlichen Auftritten wirkt er oft hilflos, auch arbeitet er nicht mit seinen zum Teil sehr gut qualifizierten Diplomaten im Aussenministerium zusammen. Kurz: Der Polit-Neuling wirkt mit der politischen Strippenzieherei überfordert. Tillerson will im Aussenministerium erklärtermassen sparen und das Ministerium umbauen. Doch es stellt sich die Frage, ob das in einer Zeit mit Krisen ohne Ende – von Burma über Nordkorea bis zur Ukraine und darüber hinaus – die richtigen Prioritäten sind.
Tillerson ist ein Aussenminister ohne Gewicht, der vom Präsidenten öffentlich blossgestellt wird. Muss man damit rechnen, dass Tillerson bald die Nase voll hat und abtritt?
Die meisten Beobachter hier in Washington gehen davon aus, dass er eher nur noch Wochen und nicht noch Monate im Amt ist. Tatsächlich fragt man sich immer wieder, wieso er sich das antut. Schliesslich war er als Chef von ExxonMobil ein erfolgreicher Manager. Denkbar ist auch, dass Trump ihn absetzt und durch UNO-Botschafterin Nikky Haley ersetzt. Sie ist eine talentierte Politikerin und hat offenkundig eher das Ohr des Präsidenten.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.