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US-Präsidentenwahl 2020 Muss Trump ins Gefängnis, wenn er nicht mehr im Amt ist?

USA-Experte Arthur Honegger beantwortete die Fragen der SRF-User zu den US-Wahlen live auf Facebook. Die Höhepunkte.

Wahlsystem USA: Wären Anpassungen nicht sinnvoll? Es wird immer wieder diskutiert, wie das System angepasst werden kann. Die Elektoren sorgen in Europa oft für Irritationen. Sie haben aber eine Geschichte und wurden damals bei der Gründung der USA eingeführt. Damals wollten die Amerikaner ein föderalistisches Korrektiv haben und nicht eine reine Volkswahl. Sonst würden bevölkerungsreiche Regionen dominieren und könnten die Richtung des Landes allein bestimmen. Darum hat man sich für ein Elektorensystem entschieden. Das hat auch seinen Sinn.

Zur Erinnerung: In der Schweiz wird bei einer Initiative auch ein Volks- und Ständemehr verlangt, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung etwas befürwortet, wenn die Mehrheit der Stände beziehungsweise der Kantone das nicht tun, kommt es nicht durch. Das ist ein ähnlicher Mechanismus. In den USA gibt es jedoch Reformbestrebungen, ein Beispiel ist das Projekt «National Popular Vote», mit dem man über Umwege mit den Elektoren ein Volksmehr abbilden kann.

Ist es möglich, dass die Wahlleute anders stimmen und Trump doch gewählt wird? Die Wahlleute sind juristisch nicht überall gebunden. Sie werden jedoch nach Parteiangehörigkeit gewählt. Zum Beispiel werden aus Pennsylvania, wo Biden gewonnen hat, Demokraten geschickt. Es wäre sehr überraschend, wenn diese jetzt für Trump stimmten.

Die Chancen dafür sind sehr klein. Es gab 2016 einen Wahlmann, ein Ureinwohner der USA, der aus Protest seine Stimme anders vergab. Solche «faithless electors» sind je nach Staat rechtlich verfolgbar. Letztendlich hat Biden aber 306 Stimmen. Um auf unter 270 zu kommen, müssten 37 Elektoren gegen ihren Volksauftrag stimmen. Das ist beinahe ausgeschlossen.

Immunität von Präsidenten: Muss Trump, wenn er nicht mehr im Amt ist, ins Gefängnis? Der Präsident der USA hat eine Art Rechtsschutz vor einer Strafverfolgung. Der ist allerdings nicht absolut. Schon bei der Mueller-Untersuchung wurde besprochen, ob es möglich sei, einen Präsidenten im Amt anzuklagen. Darum gibt es keine absolute Immunität. Trump muss eher nicht ins Gefängnis – erst müsste ihm schliesslich etwas bewiesen werden.

Es sind aber noch verschiedene Sachen pendent, sei es die Frage des Amtsmissbrauchs, die Behinderung der Justiz in Zusammenhang mit der Mueller-Untersuchung oder die diversen Vorwürfe von sexueller Belästigung. Und etwas, das sehr interessant sein wird, sind die Vorwürfe zu Steuerbetrug vor seiner Amtszeit, welche auf Ebene des Teilstaats von New York erhoben werden.

Amtsübergabe: Muss Trump dabei sein? Im Prinzip muss er nicht dabei sein. Er kann theoretisch auch golfen gehen oder sonst etwas tun, wenn er das möchte. Viele gehen davon aus, dass er das jedoch nicht macht. Aber das ist eine wichtige Tradition, die gegen aussen zeigt, dass eine friedliche Amtsübergabe stattfindet. Es wäre gut für das Land, und es ist zu hoffen, dass er diese Grösse findet. Somit würde er das Resultat und den neuen Präsidenten Biden anerkennen. Und das ist wichtig für eine Demokratie.

Was, wenn Trump sich weigert, aus dem Weissen Haus auszuziehen? Dann wäre er quasi ein Hausbesetzer. Er wäre ja illegitim im Weissen Haus. Das wird Trump vermeiden. Er will sicher nicht vom Secret Service abgeführt werden. Es dürfte aber eine schwierige Übergabe werden – ohne oder mit minimaler Kooperation. Eine ultimative Trotzreaktion wird eher nicht eintreten. Dies würde auch seinem Vermächtnis und allenfalls den kommenden Ambitionen nur schaden.

Hat Trump weniger Kriege geführt als seine Vorgänger? Er hat versucht sich zurückzuziehen wie etwa in Syrien. Allerdings muss ein Präsident immer auf das reagieren, was auf der Welt geschieht. Er hat den Rückzug aus Syrien forciert und auf punktuelle Luftschläge gesetzt. In diesem Sinne hat er weniger Kriege geführt als vorherige Präsidenten.

Obama hatte jedoch den Rückzug aus dem Irak schon beschlossen, alles war im Gange. Dann ist mit dem IS eine neue Bedrohung aufgetaucht und er musste reagieren. So etwas ist in den letzten vier Jahren nicht geschehen. Trump hat aber zum Beispiel das Attentat auf den iranischen General Soleimani befohlen, was sehr umstritten war – auch in den USA. Zudem hat er einen Handelskrieg mit China geführt.

USA und die Schweiz: Wird Biden gut mit der Schweiz kooperieren können? Biden ist in der Aussenpolitik sehr erfahren und weiss, wie er agieren muss. Er war auch schon zwei Mal am World Economic Forum (WEF) und seine Frau nahm vor ein paar Jahren an einem Berufsbildungskongress in Winterthur teil.

Es gibt sicher gute Möglichkeiten zu kooperieren. Für die Schweiz ist jedoch nicht so wichtig, wer im Weissen Haus ist, sondern was auf der Agenda steht. Währen den Obama-Jahren gab es den Steuerstreit und der Ton war ernster. Während der Amtszeit von Trump gab es praktisch keine bilateralen Probleme. Mal schauen, was in den nächsten Jahren geschieht. Normalerweise ist die Schweiz für die USA einer der einfacheren Partner.

SRF 4 News; 17.11.20; 09.30 Uhr ; 

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