Im Lackawanna County in Pennsylvania, einem Bezirk mit etwa 200'000 Einwohnern, stirbt alle drei Tage eine Person an einer Drogen-Überdosis. Dem mag die Staatsanwaltschaft nicht mehr tatenlos zusehen. Sie hat eine Kampagne gestartet: «Heroin hits Home», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen soll die Bürger aufrütteln und informieren.
Im Interview ortet Bezirksstaatsanwalt Shane Scanlon die Schuld an Drogenwelle beim zu laschen Verschreiben von opiathaltigen Schmerzmitteln: «Die Ärzte müssen sich überlegen, ob sie nicht besser andere Schmerzmittel verschreiben», sagt er.
SRF News: Alle drei Tage stirbt im Lackawanna County in Pennsylvania ein Mensch an einer Überdosis Drogen. Können Sie erklären, warum?
Shane Scanlon, Staatsanwalt: Einerseits liegt es an der Lage. Das Lackawanna County ist sehr gut an Autobahnen angebunden, die uns in zwei Stunden in mehrere grosse Städte in der Region bringen. Von dort kommen dann die Drogen zu uns. Allerdings waren drei von vier Drogensüchtigen zuvor abhängig von Schmerzmitteln, die Opium enthalten. Wenn das Rezept ausläuft, wenden sie sich den Strassendrogen wie Heroin zu. Dieses ist meistens viel billiger – und man braucht kein Rezept. Manchmal geraten die Medikamente der Eltern oder Grosseltern auch in die Hände von halbwüchsigen Kindern, die davon abhängig werden.
Diese Heroinsucht trifft Menschen aus den besten Familien, die gut ausgebildet sind und ansonsten ein ganz normales Leben führen.
Sie haben im Juli dieses Jahres die Kampagne «Heroin hits home» («Heroin trifft Ihr Zuhause») gestartet. Auf der Website findet man viele nützliche Informationen zur Drogensucht. Was erhoffen Sie sich davon?
Etwas vom Traurigsten ist, wenn ich Eltern treffe, deren Kinder an einer Drogen-Überdosis gestorben sind. Das passiert, weil die Drogen meistens viel stärker sind als das Schmerzmittel. Die Eltern sind fassungslos, weil sie sich nie hätten vorstellen können, dass sich ihr Kind eine Nadel in den Arm stechen würde. Meine Kampagne richtet sich genau an solche Leute. Diese Sucht trifft nämlich nicht jene, die unter der Brücke leben müssen. Sie trifft Menschen aus den besten Familien, die gut ausgebildet sind und ansonsten ein ganz normales Leben führen. Diese Menschen sollen sich durch meine Kampagne informieren können, damit sie sich oder ihren Angehörigen helfen können, bevor es zu spät ist.
Gibt es schon Erfolge? Gehen die Todesfälle zurück?
Messbare Erfolge zu vermelden dürfte jetzt noch schwierig sein, da müssen wir noch ein paar Jahre warten. Ich persönlich glaube eher, dass die Zahlen noch eine Weile weiter ansteigen, bevor es besser wird. Aber für mich ist es schon ein Erfolg, wenn ich sehe, wie viele Leute sich informieren, anrufen, schreiben und Hilfe wollen.
Sind nicht auch die Ärzte, die diese opiumhaltigen Schmerzmittel verschreiben, mitschuldig? Und was ist mit der Pharmaindustrie, die solche Medikamente herstellt?
Die Pharmafirmen und die Ärzte spielen sicher eine Rolle. Wir wissen, dass diese verschreibungspflichtigen Medikamente hochgradig abhängig machen. Einfach die Ärzte verantwortlich zu machen, greift aber zu kurz. Man hat die Ärzte zwar informiert, aber sie wurden zu wenig über die Sucht- und Missbrauchsgefahren unterrichtet. Die ganze Ärzteschaft muss nun dazulernen, wie sie mit der Epidemie umzugehen hat und ob nicht eher andere Schmerzmittel verschrieben werden sollten als diese opiumhaltigen.
Werden Sie diese Firmen und die Ärzte verklagen oder sonst zur Rechenschaft ziehen?
Das steht uns auf der lokalen Ebene nicht zu, da sind die Generalstaatsanwälte der Gliedstaaten oder der Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten zuständig. Was wir genau beobachten ist, ob Ärzte zu viele dieser gefährlichen Schmerzmittel verschreiben oder sie an Süchtige abgeben. Das wäre dann kriminell und würde von uns untersucht.
Am 8. November wird die neue Präsidentin oder der neue Präsident gewählt. Was erwarten Sie von dieser Person? Bräuchten Sie Hilfe aus Washington?
Ich erwarte nichts – aber ich hoffe, dass der neue Präsident, die neue Präsidentin uns hilft, diese Epidemie zu bekämpfen. Drogentote gibt es nicht nur in Pennsylvania, sondern in vielen Gegenden des Landes. Wir brauchen mehr Geld für Entzugskliniken, es gibt zu wenig Betten für die Süchtigen und wir brauchen mehr Anlaufstellen, wo sich Hilfesuchende hinwenden können.
Das Gespräch führte Ruth Wittwer.