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USA-Iran-Krise Trump droht Iran: 52 Ziele im Visier

  • US-Präsident Trump droht Teheran mit sehr harten Attacken gegen 52 ausgesuchte Ziele in Iran, falls das Land nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani Schläge gegen US-Einrichtungen durchführe.
  • In einer Stellungnahme zum Tod des iranischen Militärs distanziert sich die deutsche Regierung vorsichtig vom Vorgehen Washingtons.
  • Regierungsvertreter in Wien und Berlin ergreifen unterdessen politische Initiativen, um einer Eskalation der Gewalt in der Golfregion entgegenzuwirken.

In einem Tweet am Samstag warnte Präsident Donald Trump die Führung in Teheran nachdrücklich vor Vergeltungsschlägen nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch US-Kräfte.

Für den Fall, dass der Iran US-Bürger oder amerikanische Einrichtungen angreifen sollte, gebe es eine Liste mit 52 wichtigen iranischen Zielen, die dann angegriffen würden, schrieb Trump. Er begründete die Zahl der 52 ausgewählten Zielorte mit einem Verweis auf «52 amerikanische Geiseln».

«52 amerikanische Geiseln»

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  • Mit seinem Verweis auf «52 amerikanische Geiseln» bezog sich Präsident Trump offenkundig auf ein geschichtliches Ereignis vor vier Jahrzehnten.
  • Iranische Studenten hatten die US-Botschaft in Teheran am 4. November 1979 besetzt, um gegen die Aufnahme des gestürzten Schahs Reza Pahlavi in den USA zu demonstrieren.
  • Sie nahmen 52 US-Botschaftsangehörige als Geiseln und forderten die Auslieferung des Schahs. Washington verhängte Sanktionen, die Geiselnahme endete nach 444 Tagen.
  • Wegen der Botschaftsbesetzung brachen die USA damals die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Die Botschaftsbesetzung wird von den Hardlinern im Iran immer noch als revolutionäre Heldentat und Sieg über den US-Imperialismus gefeiert.

Die 52 strategisch und kulturell für den Iran wichtigen Orte würden dann «sehr schnell und sehr hart angegriffen», schrieb Trump in Grossbuchstaben.

Nach der Tötung Soleimanis in der Nacht zum Freitag in Bagdad hatte der Iran Rache geschworen. Man könnte US-Ziele in Irak oder anderen Ländern des Nahen Ostens angreifen. Sollte es dazu kommen, droht eine unberechenbare Spirale der Gewalt – wie Trumps jüngste Drohung zeigt.

Leiche des getöteten Generals in Iran eingetroffen

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  • Die Leiche des iranischen Generals Kassem Soleimani, der von den USA im Irak getötet wurde, ist zur Bestattung im Iran eingetroffen.
  • Der Leichnam sei mit einem Flugzeug in die Stadt Ahwas im Südwesten des Landes gebracht worden, meldet die amtliche Nachrichtenagentur Irib.
  • Im staatlichen Fernsehen war zu sehen, wie Tausende schwarz gekleidete Menschen in einem Trauermarsch durch die Stadt zogen.
Es ist Zeit, dem Leichtsinn und der Arroganz der USA ein Ende zu bereiten
Autor: Hassan al-Kabi Vize-Sprecher des irakischen Parlaments

In dieser angespannten Gemengelage berät das irakische Parlament heute Sonntag in einer Dringlichkeitssitzung über Forderungen nach einem Abzug der rund 5000 verbliebenen US-Truppen im Land. Der geschäftsführende Regierungschef Adel Abdel Mahdi sprach von «angemessenen Massnahmen», um «die Würde des Irak und dessen Sicherheit und Souveränität» zu erhalten.

Vize-Parlamentssprecher Hassan al-Kabi sagte: «Es ist Zeit, dem Leichtsinn und der Arroganz der USA ein Ende zu bereiten.»

Pelosi bezweifelt Trumps Begründung

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  • Die offizielle Benachrichtigung der US-Regierung an den Kongress zur Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani wirft aus Sicht der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses «ernsthafte und drängende Fragen» auf.
  • Zudem habe die Regierung die «hochgradig ungewöhnliche» Entscheidung getroffen, die gesetzlich vorgeschriebene Mitteilung ans Parlament komplett als geheim einzustufen, erklärte die demokratische Frontfrau Nancy Pelosi am Samstagabend.
  • Die Führung von Präsident Donald Trump wolle die Öffentlichkeit offenbar über die Hintergründe des Militäreinsatzes gegen den Iran im Dunkeln lassen, so Pelosi.
  • In ihrer scharf formulierten Mitteilung erklärte die Demokratin, die von der Regierung gelieferte Begründung des Einsatzes werfe mehr Fragen auf als sie beantworte. Das Dokument werfe «ernsthafte und drängende Fragen über das Timing, die Ausführung und die Begründung der Entscheidung der Regierung auf», erklärte Pelosi.
  • Der unverhältnismässige Militäreinsatz bringe US-Soldaten, Diplomaten und amerikanische Bürger in Gefahr, erklärte sie weiter.
  • Trumps Regierung hat die Tötung des iranischen Generals Soleimanis mit Verweis auf angeblich von ihm geplante und unmittelbar bevorstehende Angriffe auf US-Bürger begründet und als einen Akt der Selbstverteidigung dargestellt. Beweise für die angeführten Angriffspläne wurden nicht präsentiert. Führende Demokraten hegen auch deshalb Zweifel an der Begründung.

Unterdessen distanzierte sich die deutsche Regierung vorsichtig von dem tödlichen US-Angriff gegen den iranischen General Soleimani. «Die Handlungsweise der Vereinigten Staaten erfolgte in der nationalen Verantwortung Washingtons und war nicht Teil der internationalen Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat. Dieser ist noch nicht besiegt», hiess es in einer Unterrichtung des Verteidigungsausschusses im deutschen Parlament.

Gleichwohl prangerte Berlin den beim US-Angriff getöteten iranischen Militärführer Soleimani als einen Hauptverantwortlichen für den Export von Terror und Gewalt im Nahen Osten an.

Initiativen aus Wien und Berlin

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  • Zur Entschärfung der Iran-Krise hat der künftige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz ein Gipfeltreffen in Wien vorgeschlagen. «Wien steht selbstverständlich als Standort für mögliche Verhandlungen zur Verfügung, wenn der Iran und die USA wieder Gespräche führen wollen», sagte Kurz der «Bild am Sonntag».
  • Bereits die Verhandlungen über das internationale Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe waren überwiegend in Wien geführt worden.
  • Nach der Tötung des iranischen Generals bei einem US-Luftschlag kündigte der deutsche Aussenminister Heiko Maas direkte Gespräche auch mit dem Iran an.
  • «Wir werden in den kommenden Tagen alle Hebel in Bewegung setzen, um einer weiteren Eskalation der Lage entgegenzuarbeiten – in den Vereinten Nationen, der EU und im Dialog mit unseren Partnern in der Region, auch im Gespräch mit dem Iran», sagte er der «Bild am Sonntag».
  • Er stehe seit Freitagmorgen in engem Kontakt mit seinen britischen und französischen Kollegen, dem EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell und US-Aussenminister Mike Pompeo.
  • Die Lage sei «unberechenbarer geworden», sagte Maas. «Allen muss bewusst sein, dass jetzt jede Provokation zu einer unkontrollierbaren Spirale der Gewalt führen könnte, mit unabsehbaren Folgen für die ganze Region und auch unsere Sicherheit in Europa.»
  • Maas nannte drei Ziele von Gesprächen: «Erstens: eine kriegerische Eskalation vermeiden. Zweitens: die Stabilität und Integrität des Irak erhalten. Drittens: dafür sorgen, dass im Windschatten dieser Umwälzungen (die Terrormiliz) ISIS nicht erneut an Boden gewinnt.»

In den USA formiert sich mittlerweile breiter Protest gegen einen drohenden Krieg. In dutzenden Städten gingen am Samstag zahlreiche Personen auf die Strasse, um gegen die gezielte Tötung des iranischen Top-Generals Soleimani bei dem US-Angriff zu protestieren.

Landesweite Proteste

«Wir werden nicht zulassen, dass unser Land in einen weiteren waghalsigen Krieg gesteuert wird», sagte ein Demonstrant vor dem Weissen Haus. Die Demonstranten zogen vom Sitz des Präsidenten zum nahegelegenen Trump International Hotel. «Ablenkung gefällig? Fang einen Krieg an!», stand in Anspielung auf das Impeachment-Verfahren gegen Trump auf dem Plakat des 66-jährigen Demonstranten Sam Crook.

Den Veranstaltern zufolge fanden Protestaktionen in rund 70 US-Städten statt, darunter in New York, Los Angeles und Chicago. Auf dem Times Square in New York stand auf einem Plakat geschrieben: «Krieg ist keine Strategie für eine Wiederwahl».

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