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USA verschieben Zollentscheid «Trump gelingt es, die EU vor sich herzutreiben»

Erst in einem Monat will US-Präsident Donald Trump entscheiden, ob die USA Stahl und Aluminium aus der EU künftig mit höheren Zöllen belegen werden, oder ob es Importquoten geben soll. Laut Oliver Washington, SRF-Korrespondent in Brüssel, will die EU das eine wie das andere verhindern.

Oliver Washington

Bundeshausredaktor

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Oliver Washington ist seit 2003 bei SRF. Ab 2007 war er Mitglied der Inland-Redaktion, von 2014 bis 2019 berichtete er als EU-Korrespondent aus Brüssel. Nun ist er in der Bundeshausredaktion von SRF tätig. Washington hat Soziologie, Geografie und Wirtschaftsgeschichte studiert.

SRF News: Ist dieser Monat Aufschub ein Erfolg für die EU?

Oliver Washington: Nein, das ist kein Erfolg. Dieser Aufschub bedeutet, dass niemand weiss, wie es nach dem 1. Juni weitergeht. Die EU-Kommission schreibt denn auch in einer Stellungnahme, der Aufschub verlängere die Unsicherheiten auf den Märkten. Und wir wissen alle: Solche Unsicherheiten bedeuten, dass die Unternehmen nicht wirklich planen können und entsprechend zurückhaltend sind mit Investitionen.

Wenn wir das Ganze rein ökonomisch betrachten, so wären Quoten wohl etwas vorteilhafter.

Das andere ist der politische Druck Washingtons auf Europa, der bleibt. Das hört man natürlich gar nicht gerne in Brüssel. Ein Erfolg wäre es gewesen, wenn die USA gesagt hätten, die Europäer bekommen eine permanente Ausnahme.

Zuerst war die Rede von Importzöllen. Nun hört man von Importquoten. Was ist für die EU schlimmer – Zölle oder Quoten?

Wenn wir die Perspektive eines europäischen Stahl- oder Aluminiumproduzenten einnehmen und das Ganze rein ökonomisch betrachten, so wären Quoten wohl etwas vorteilhafter.

Zölle würden nämlich dazu führen, dass Produkte generell teurer würden. Der Produzent müsste dann wohl etwas mit dem Preis runter, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das hiesse, dass er wohl etwas weniger verdienen würde.

Die EU möchte das System der vereinbarten WTO-Regeln gegen die Machtpolitik Trumps verteidigen.

Quoten hingegen würden dazu führen, dass die Produzenten weniger Produkte verkaufen könnten. Und wenn weniger Produkte auf dem Markt sind, steigen die Preise. Damit könnten die Produzenten die Produkte etwas teurer verkaufen und vielleicht sogar etwas mehr verdienen. Aber ich betone: Das ist die rein ökonomische Sicht.

Und wie sieht die politische Betrachtungsweise aus?

Die EU möchte weder Zölle noch Quoten. Sie möchte beides unbedingt verhindern. Die EU-Kommission schreibt denn auch, dass die EU bedingungslos und unbefristet von solchen Massnahmen ausgenommen sein müsse. Zölle und Quoten würden die Regeln der Welthandelsorganisation WTO brechen.

Es geht um ökonomische, juristische und machtpolitische Fragen, und auch um die Einigkeit in der EU selber.

Die Amerikaner und die Europäer haben im Rahmen der WTO eigentlich einen möglichst zoll- und quotenfreien Handel von Stahl- und Aluminiumprodukten vereinbart. Die EU möchte das System dieser bereits vor Jahren vereinbarten Regeln gegen die Machtpolitik Trumps, der mit seinem Powerplay den anderen seine Regeln aufzwingen möchte, verteidigen. Letztlich geht es um die Frage, welche Vorstellung von Politik sich durchsetzt.

Eine heikle Sache wäre wahrscheinlich auch die Aufteilung dieser Quoten unter den EU-Staaten – das gebe wohl Streit?

Das kommt noch dazu. Wenn sich die EU auf die Forderungen Trumps einliesse, würde sie damit quasi Streit in die eigenen Reihen importieren. Das zeigt, dass es wirklich um sehr viel geht: um ökonomische, juristische und machtpolitische Fragen, und eben auch um die Einigkeit in der EU selber.

Wie wäre es dann mit einer Flucht nach vorn, zum Beispiel mit einem Abkommen? Es gab ja unter Präsident Obama schon solche Pläne.

Das unterstützen eigentlich alle. Doch genau hier beginnt die Einigkeit zu bröckeln. Wenn es um die Frage geht, welche Themen ein solches Abkommen umfassen soll, gehen die Meinungen weit auseinander.

Trotzdem spricht die EU-Kommission bereits von solchen Gesprächen, und obwohl es noch keine Einigkeit gibt und sie nicht einmal ein Mandat hat. Es steht der Eindruck, dass die EU nicht koordiniert und nicht zielgerichtet vorgeht. Das kritisieren einzelne EU-Parlamentarier massiv. Und das zeigt sehr gut, dass es Trump gelungen ist, die EU vor sich herzutreiben. Mit welchem Ausgang, ist offen.

Das Gespräch führte Beat Soltermann

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