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Verbreitetes Unverständnis Das meint die britische Presse zum Brexit-Chaos

«The Daily Telegraph»: «Was Frau May grundsätzlich nicht verstanden hat, ist, dass man zur Umsetzung des Referendums klar mit Europa brechen muss. Das erfordert, sich für eine Seite zu entscheiden und sich für sie einzusetzen. Ihr Versuch, alle – einschliesslich Brüssel – zufriedenzustellen – hat am Ende niemanden zufriedengestellt. Das Ausmass ihrer Niederlage ist der Beweis.»

«The Guardian»: «Eine fehlende Führung kann zu einem Gefühl der Panik führen, das von einer Regierung noch verstärkt wird, die Lebensmittel- und Medikamentenvorräte anlegt, als bereite sie sich auf einen Krieg vor. Wir müssen dem Chaos und der Spaltung ein Ende setzen, die soviel dazu beigetragen haben, unser Land zu entstellen.»

«The Sun»: Die meistverkaufte britische Tageszeitung karikiert Premierministerin May als Dodo auf der Titelseite. Der Dodo ist ein ausgestorbener, flugunfähiger Vogel: «Mays Vereinbarung über den Brexit ist völlig tot».

«The Independent»: «Bald wird die souveräne Entscheidung über den Brexit daher auf die ein oder andere Weise ihren Weg zurück zur Wählerschaft finden. Damit wird der Brexit nicht ‹gestohlen›. Alle, die 2016 abgestimmt haben, können noch einmal abstimmen. Sie können erneut für den Brexit stimmen, wenn sie wollen. Sie können aber auch zu dem Schluss kommen, dass der Brexit sich, aus welchem Grund auch immer, nicht als das leicht umzusetzende Paradies der Möglichkeiten erwiesen hat, das ihnen einst präsentiert wurde. Nun, da sie die Risiken und Vorteile aller Optionen kenne, sollten sie die Gelegenheit bekommen, ihr Urteil abzugeben.»

«The Scotsman»: «In Zeiten, die man ‹normal aussergewöhnlich› nennen könnte, würde ‹The Scotsman› heute einen Rücktritt von Theresa May fordern. Aber das tun wir nicht. (...) Eins der ersten Dinge, die May tun sollte, falls sie das heutige [Misstrauens-]Votum überlebt, ist, einen Aufschub für Artikel 50 zu erbitten, weil die ‹Zeit fast um› ist, wie Juncker sagte. Wir brauchen mehr davon. Und die EU könnte der Bitte nachgeben.»

«The Daily Mirror»: «Keine Einigung, keine Hoffnung, keine Idee, kein Vertrauen».

«The Times»: «Eine historische Niederlage». «Es gibt keine Führung, weder in der Regierung noch in der Opposition, die uns helfen kann, diesem Sumpf zu entkommen. (...) Theresa May ist nutzlos, das Parlament muss die Kontrolle über eine Zombie-Premierministerin, eine Zombie-Regierung und eine Zombie-Opposition übernehmen.»

«The Daily Express»: «Jetzt nicht versagen, Premierministerin! Zeit, die Regierung zu unterstützen und einen Brexit für Grossbritannien zu liefern. Jetzt müssen die Abgeordneten ihre Pflicht tun und mit Theresa May an einer Vereinbarung arbeiten, die die 17,4 Millionen zufrieden stellt, die für Brexit gestimmt haben».

«The Telegraph»: «Theresa May erleidet eine völlige Demütigung, weil sich ihr Brexit-Deal in Staub verwandelt. Die Regierung muss das Vertrauen des Parlaments zurückgewinnen, die Vereinbarung überdenken und vereint vor den Europäern stehen. Und Frau May muss sehr gründlich nachdenken, um zu wissen, ob es an ihr liegt, diese Aktion zu leiten.»

«The Daily Express»: «Konsternation». «Die Abstimmung zwingt May in einen Wettlauf mit der Zeit und ihre Niederlage bringt Verwirrung in den europäischen Ansatz für den Brexit.»

Der weitere Brexit-Fahrplan

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Nach dem Scheitern des Brexit-Vertrags im britischen Unterhaus am Dienstagabend zeichnet sich folgender Fahrplan für die weiteren Schritte bis zum britischen EU-Austritt ab:

16. Januar: Angekündigtes Misstrauensvotum der oppositionellen Labour-Partei gegen die britische Premierministern Theresa May.

21. Januar: Premierministerin May will ihren Plan B vorlegen – vorausgesetzt, sie übersteht das Misstrauensvotum.

31. Januar: Spätestens sieben Sitzungstage später – also am 31. Januar – muss die Regierung über den Plan B abstimmen lassen. Die Abgeordneten könnten den Plan B ändern und eine engere Anbindung an die EU oder sogar ein zweites Referendum fordern.

29. März: An diesem Tag um 23.00 Uhr britischer Zeit tritt das Vereinigte Königreich aus der Staatengemeinschaft aus – falls der Brexit nicht auf Wunsch Grossbritanniens verschoben wird.

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