«Unsere Versammlung hat beschlossen, dass wir weiter streiken. Nun werden wir über die nächsten Schritte entscheiden», sagte ein Gewerkschaftssprecher der U-Bahn-Angestellten in São Paulo.
Ein Gericht hatte wenige Stunden zuvor angeordnet, dass jeder weitere Streiktag eine Geldbusse von umgerechnet rund 200'000 Franken (500'000 Real) nach sich ziehen würde. Für die ersten vier Streiktage wurde eine Strafe von umgerechnet 40'000 Franken (100'000 Real) verhängt.
Streik betraf bereits Test-Spiel
Was nun geschehen wird, ist ungewiss. Die Polizei in São Paulo kennt jedenfalls kein Pardon. Schon zuvor gingen die Sicherheitskräfte mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Streikenden vor. Der Ausstand hat die Wirtschaftsmetropole fest im Griff, ein Verkehrs-Chaos war in den vergangenen Tagen die logische Konsequenz, denn normalerweise nutzen 4,5 Millionen Fahrgäste täglich die U-Bahn.
Am 5. Oktober werden wir Dilma Rousseff zum Teufel jagen.
Die Streikenden hatten am Freitag, dem zweiten Tag ihres Ausstandes, die U-Bahnhöfe durch Streikposten blockiert und Fahrgäste daran gehindert, den Bahnhof Ana Rosa zu betreten. Der Streik betraf auch die Besucher des WM-Tests am Freitagabend zwischen Gastgeber Brasilien und Serbien (1:0). Vielleicht auch deshalb blieben etliche Sitze im Morumbi-Stadion leer.
Starke Inflation – tiefe Löhne
Staatspräsidentin Dilma Rousseff bezeichnete den Ausstand als eine «systematische Kampagne» gegen das WM-Turnier. «Unser Problem hat nichts mit der Nationalmannschaft zu tun, wir werden sie anfeuern. Aber am 5. Oktober werden wir Dilma Rousseff zum Teufel jagen», sagte Gewerkschaftsführer Paulo Pereira da Silva mit Blick auf die kommenden Präsidentschaftswahlen.
Die Streikenden lehnten zuletzt angebotene Lohnerhöhungen von 8,7 Prozent ab. Sie wollen mindestens 12,2 Prozent, ursprünglich wollten die Beschäftigten wegen der galoppierenden Inflation sogar ein Plus von 16,5 Prozent durchsetzen.
Rousseff appelliert an Demonstranten
Die brasilianische Staatschefin Dilma Rousseff rief derweil ihre Landsleute zur Ruhe während der WM auf. Sie wünsche sich, dass die Menschen den Gästen aus aller Welt «die Fröhlichkeit, Stärke und Höflichkeit Brasiliens» zeigten, sagte Rousseff beim Besuch eines sozialen Projekts im südöstlichen Bundesstaat Minas Gerais.
«Ich bin sicher, dass die Weltmeisterschaft ein Fest wird.» Es sei «wesentlich, dass die Menschen, die Mehrheit von ihnen Brasilianer, auch das Recht haben, diese grossartige Party zu geniessen».
Der alltägliche Wahnsinn in São Paulo
Sollte der Streik andauern, könnten die Organisatoren mit Blick auf den WM-Auftakt unter grossen Druck geraten. Drei der fünf U-Bahn-Linien sind zurzeit betroffen. Schon zu normalen Zeiten kollabiert fast täglich der Verkehr in São Paulo, herrscht zu jeder Tages- und Nachtzeit auf den Strassen der Ausnahmezustand. Auf mehr als 200 Kilometern stauten sich die Fahrzeuge beispielsweise am Donnerstag, und das ist nicht einmal Rekord. Der steht seit Ende Mai bei 344 Kilometern.
Brasilien investiert viel in die Sicherheit während der Weltmeisterschaft. Insgesamt setzt das Land während der gesamten Dauer landesweit 57'000 Soldaten sowie 100'000 Polizisten von Bund, Ländern und Kommunen und andere staatliche Sicherheitskräfte ein.